Pfad: Startseite > Hefte > 1992 > Zu diesem Heft

 
Startseite Suchen Druckansicht imagemap Schrift verkleinern Schrift vergrößern

Heft 44: Armut in Frankfurt

1992 | Inhalt | Editorial | Leseprobe

Titelseite Heft 44
  • Oktober 1992
  • 120 Seiten
  • EUR 7,00 / SFr 13,10
  • ISBN 3-88534-090-9

Zu diesem Heft

Daß in einem Zeitraum von einem Jahr zwei Widersprüche-Hefte erscheinen, die sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Armut befassen, könnte von böswilligen Leserinnen so verstanden werden, als gingen der Redaktion die Themen aus. Auch wenn dem nicht so ist, bedarf es einer Begründung, weshalb wir in dieser Ausgabe Texte veröffentlichen, die zum großen Teil für eine Tagung "Armut in Frankfurt" geschrieben sind und die sich in der Mehrheit auch noch auf die soziale Wirklichkeit Frankfurts beziehen.

Unseres Erachtens deutet vieles darauf hin, daß Armut und Ausgrenzung, letztlich die Frage nach "gerechten Lebensverhältnissen", im nationalen und internationalen Maßstab grundlegende Themen der neunziger Jahre sind. Sich verfestigende soziale, regionale Spaltungen sind in den verschiedensten Gesellschaften wahrnehmbar. Auch wenn "soziale Fragen" außer Mode schienen und es Einigen sogar so vorkam, als sei die Befreiung von realsozialistischen Fabrikdespotien gleichbedeutend mit der Befreiung von sozialen Fragen. Die Ausdrucksformen dieser sozialen Spaltungen und Risiken sind unterschiedlich: geschlechtsspezifische Betroffenheiten, Ghettoisierung von Armutsbevölkerung, Armutswanderungen, Überlagerung mit ethnischen und nationalen Konflikten und altersmäßige und regionale Differenzierungen wiederholen sich in den Versuchen, die Ungleichheit verschiedener Geschlechts-, Klassen- und Lebenslagen zu begreifen.

Der mainstream des "politischen Umgangs" mit diesen Konflikten, die für die Gesellschaften als Ganzes, aber hauptsächlich für die Menschen, die zu den Opfern und Verlieren zählen mit höchsten Risiken verbunden sind, liegt im Vertrauen auf marktwirtschaftliche Selbstregulierung mit geringen Anteilen sozialstaatlicher Steuerung und mit unterschiedlich hohem Anteil an Repression.

Unterhalb des politisch-offiziellen Umgangs ist auf der Seite der Subjekte ein starker gesellschaftlicher Solidaritätsmangel wahrnehmbar und ein Sich-Abfinden mit oder gar Rechtfertigen von sozialer Konkurrenz und Ausgrenzung. Solidarität scheint oft nur noch in Form von "Gruppenegoismen" zu bestehen und sucht ihr Heil in der bloßen Besitzstandswahrung. Hier kann sie sich mit ethnischen, chauvinistischen oder rassistischen Motiven paaren und ist dann als die populistische Solidarität eines bornierten "Wir" meilenweit entfernt vom utopischen Entwurf sozialer Bewegungen, die Armut und Ungerechtigkeit bekämpfen wollen.

In unserem Heft 41 "Armut - Kein Thema?" wurden schon einige dieser Themen angerissen: Welche sozialpolitischen Folgen zeitigt die deutsche Einigung? Wie wird Arbeitslosigkeit und Armut von den Subjekten verarbeitet? Was verhindert die Entfaltung politischer Bewegungen anhand dieser sozialen Konflikte?

Zurecht war in Heft 42 darauf hingewiesen worden, daß die Artikel sich um die Frage des Geschlechterverhältnisses in der Analyse der sozialen Verhältnisse herumdrücken (R. Divivier). Warum also nicht, so das zentrale Motiv, Texte zum Thema Armut am Beispiel Frankfurt zu veröffentlichen, die angerissenen Fragen in einem Mikrokosmos, der sich gern "Metropole" nennen läßt und der für viele Exempel der "postindustriellen Dienstleistungsgesellschaft" sein will, weiterverfolgen? Das vorliegende Heft versucht, die ganze Breite des sozialen Konfliktfeldes Armut an einem Ort auszuleuchten: Welche Spaltungsprozesse laufen ab? Welche neuen politischen Konfliktlinien entstehen? Unter welchen ökonomisch-politischen Rahmenbedingungen zeigen sich diese Konflikte als Probleme einer Großstadt-Kommune?

Zugleich dokumentiert die "Widersprüche"-Redaktion mit diesem Heft, daß sie für Kooperationen mit gesellschaftspolitischen Initiativen aufgeschlossen ist. In Zeiten massenhafter sozialer Deklassierung finden wir es notwendig, häufiger und gezielter zu intervenieren.

1992 | Inhalt | Editorial | Leseprobe