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Heft 66: Gesellschaft ohne Klassen? Politik des Sozialen wider Ausgrenzung und Repression

1997 | Inhalt | Editorial | Leseproben: 1 & 2

Titelseite Heft 66
  • Dezember 1997
  • 256 Seiten
  • EUR 11,00 / SFr 19,80
  • ISBN 3-89370-276-8

Zu diesem Heft

Die Redaktionen der "WIDERSPRÜCHE" und der "links" haben das vorliegende Heft gemeinsam konzipiert. Die Wahl des Schwerpunkts braucht nicht begründet zu werden, da die gesellschaftlichen Zustände selbst neoliberal imprägniertes Denken Tag für Tag auf Defizite, Krisen und Konflikte hinweisen. Die Spaltung der Gesellschaft und die Ausgrenzung ganzer Schichten und Milieus schreitet voran. Die Frage nach den "Gesellschaftsklassen" und jene nach der "Klassengesellschaft" fallen nicht zusammen, aber stellen sich gleichermaßen dringlich.

Der Neoliberalismus setzt an der Regulation des Lohnverhältnisses an. Was bedeutet das für die Spaltung der Gesellschaft in Klassen, und wie vollzieht sich diese? Die Frage ist um so legitimer, als sich das normalisierte Denken einreden ließ, mit 1989 seien auch die Klassen und die Klassengesellschaft verschwunden. Die Analyse der Formen, in denen sich der Zusammenhang zwischen kapitalistischer Globalisierung, neoliberaler Verallgemeinerung und die Formierung, Umformierung und Deformierung von Klassen vollzieht, muß über eine Rekonstruktion in marxistischer Tradition hinausweisen, denn diese Prozesse verknüpfen sich über das Lohnarbeitsverhältnis mit kulturellen Aneignungsformen: "Die Rekonstruktion einer kapitalismuskritischen Subjektivität wird es nicht geben, wenn wir nicht endlich anfangen, die eingetretenen Veränderungen im Produktionsprozeß und die Implikationen, die daraus für das Gesellschaftsgefüge und die verschiedenen Lebensbereiche hervorgehen, zu analysieren" (Pietro Ingrao). Die unter der Überschrift "Politik jenseits der Klassen?" versammelten sechs Beiträge versuchen, diesen Anspruch einzulösen.

Im Rahmen des 'Modell Deutschland' als besonders erfolgreicher Variante eines fordistischen Staates war es den Parteien und Gewerkschaften - gestützt auf materielle Zugeständnisse für große Teile der Lohnabhängigen - gelungen, massenintegrativ im Hinblick auf eine Funktionalisierung der Menschen für die Notwendigkeit von Wachstum und Fortschritt zu wirken. Hier kündigen sich im wiedervereinten Deutschland mit aller Deutlichkeit drastische Veränderungen an. Während postfordistische Produktionskonzepte und neoliberale Deregulierungspolitik zu einer immer stärkeren Privatisierung sozialer Risiken führen, verstärken sich gleichzeitig Bestrebungen, den befürchteten Verlust bestimmter Normalitätsstandards durch rigide Normierungen und die Bekämpfung eines allgegenwärtigen 'Sicherheitsrisikos' zu bearbeiten.

Im Rahmen des 'Modell Deutschland' als besonders erfolgreicher Variante eines fordistischen Staates war es den Parteien und Gewerkschaften - gestützt auf materielle Zugeständnisse für große Teile der Lohnabhängigen - gelungen, massenintegrativ im Hinblick auf eine Funktionalisierung der Menschen für die Notwendigkeit von Wachstum und Fortschritt zu wirken. Hier kündigen sich im wiedervereinten Deutschland mit aller Deutlichkeit drastische Veränderungen an. Während postfordistische Produktionskonzepte und neoliberale Deregulierungspolitik zu einer immer stärkeren Privatisierung sozialer Risiken führen, verstärken sich gleichzeitig Bestrebungen, den befürchteten Verlust bestimmter Normalitätsstandards durch rigide Normierungen und die Bekämpfung eines allgegenwärtigen 'Sicherheitsrisikos' zu bearbeiten.

Unter dem Blickwinkel "Politik der Ausgrenzung" wird daher im zweiten Teil des Buches der historische Wandel im Umgang mit Grenzziehungen hinsichtlich der Anerkennung sozialer Rechte und der Frage nach Zugehörigkeit und Nichtzugehörigkeit fokussiert. Dabei werden besonders postfordistische Tendenzen beleuchtet, die "inszenierte Krise" des Sozialen mit ordnungspolitischen Mitteln zu bearbeiten. Es wird jedoch auch herausgearbeitet, wie Frauen aus der Öffentlichkeit ausgegrenzt werden, um für die Abfederung der Krise des seit jeher auf geschlechtshierarchischer Arbeitsteilung beruhenden Sozialstaates durch Mobilisierung privater Ressourcen dienstbar gemacht zu werden.

Der Frage, welche Chancen demgegenüber das Konzept einer "Politik des Sozialen" angesichts der Ausdifferenzierung der historischen Hauptklassen in eine Vielzahl von Klassenströmungen und angesichts der unterschiedlichst gelagerten basisdemokratischen Sozialpolitiken der ProduzentInnen heute noch hat, ist der dritte Teil gewidmet. Dabei geht es um die Spannung zwischen den Mühen, die eine Produzierendensozialpolitik bereitet, und den daraus entstehenden Hemmnissen, über eine "alternative Hegemonie" überhaupt nur nachzudenken, geschweige denn eine Vernetzung der Aktivitäten und Interessen zu verwirklichen, die ihren Namen verdient. Angesichts der Spannung, in der sich die Selbsthilfe - eingeklemmt zwischen beschäftigungspolitischem Drücken und verehrenamtlichendem Ziehen von oben - bewegt und angesichts massiver Tendenzen einer erneuten Hausfrauisierung ist außerdem über das Verhältnis zwischen den verschiedenen Formen von ProduzentInnensozialpolitik und einer sie übergreifenden "Politik des Sozialen" neu nachzudenken, welche auch die professionelle Seite des Kampfes für bessere Lebensbedingungen und für Selbstbestimmung der AdressatInnen mit einzubeziehen hat. Damit ist auch die Dimension einer "Pädagogik des Sozialen" und des Verhältnisses zwischen Politik und dem herkömmlicherweise Erziehung genannten sozialen Aneignungsverhältnis angesprochen, das aus der ihm eigenen Dynamik heraus bestimmte Formen und Maßverhältnisse produziert, die dann auch politische Relevanz gewinnen können.

Mehr noch als darin liegt jedoch in den Eigenschaften und Vermögen der ProduzentInnen ein Rohstoff, von dessen 'objektiven Möglichkeiten' aus eine "Politik des Sozialen" sich entwerfen läßt, wenn es gelingt, solche Vermögen nicht nur als bloße Mittel zur Selbstentfremdung, sondern in der Perspektive ihrer Verwirklichung und Kooperationsfähigkeit zu entfalten. Auch angesichts der postfordistischen Umformierung von Klassengrenzen und -konflikten sind es doch immer noch die gegen das Verwertungsinteresse stehenden Anteile in diesen Vermögen, die auf der Stufe der gesellschaftlichen Entwicklung den Beginn der Herausbildung von "ProduzentInnensozialpolitik" und einer alternativen Hegemonie markieren.

Die Redaktionen links und WIDERSPRÜCHE

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