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Heft 81: Da war doch was... !? Zugänge zur Erinnerung an Nazizeiten

2001 | Inhalt | Editorial | Abstracts | Leseprobe

Titelseite Heft 81
  • September 2001
  • 120 Seiten
  • EUR 14,00 / SFr 19,80
  • ISBN 3-89370-356-X

Brigitta Huhnke
Sich erinnern - oder Abwehr und Verleugnen

Wen und was erinnern wir, von welchem Ort aus? Kinder und EnkelInnen von Tätern und MitläuferInnen stellen diese Fragen kaum. Sie sind nach wie vor in kulturelle Netze der Abwehr von Geschichte verstrickt. Politische Reden, Zeitungsberichte, der deutsche Film und 'linke' Theoriebildung dokumentieren: Nicht-jüdische Nachkriegsgenerationen verweigern sich dem traumatischen Wissen, sie verleugnen nach wie vor die Beteiligung ihrer Familien an den Gräueltaten. Nachfahren von Überlebenden hingegen nehmen das Vermächtnis an, indem sie kreative Formen eines Postmemory entwickeln.

Björn Krondorfer
Blechhammer oder:
Was habe ich mit einem jüdischen Überlebenden zu tun?

Durch einen Zufall entdeckt Björn Krondorfer, dass sich die Geschichte eines jüdischen Überlebenden aus Polen, der heute in den USA lebt, mit der Geschichte seines Vaters, der im Sudetenland aufwuchs, an einem Ort trifft: Blechhammer. Der Überlebende und der Vater sind gleich alt: Der eine ist im oberschlesischen Lager Blechhammer inhaftiert, um in den nahe gelegenen Industriewerken ausgebeutet zu werden, der andere wurde 16-jährig aus der Gymnasialklasse heraus in die Wehrmacht eingezogen und im Umfeld der industriellen Anlage an Flugabwehrkanonen ausgebildet. Während einer gemeinsamen Reise mit dem Vater an diesen Ort kann Krondorfer beide Geschichten rekonstruieren, die damit auch zu seiner Geschichte werden. Als Nachgeborener ist er mit zwei unterschiedlichen Erinnerungen konfrontiert, die sich als ein komplexes Beziehungsgewebe zwischen ihm, seinem Vater und dem jüdischen Überlebenden weiterentwickeln.

Johanna Bodenstab
Getarnte Täter

Der vorliegende Text ist ein Versuch, gedanklich in der Grauzone der Ungewissheit zu operieren, in der die Konturen der Täter aufgelöst sind. Diese Konturlosigkeit verhindert, dass man die Täter geistig zu fassen bekommt oder sich einen klaren Begriff vom Ausmaß ihrer Beteiligung machen kann. Ich versuche in meinem Text, über verschiedene Aspekte der Unsichtbarkeit der Täter nachzudenken, die, wenn überhaupt, fast nur in der Erinnerung ihrer Feinde und Opfer Gestalt annehmen. In drei Schritten versuche ich, Perspektiven herauszuarbeiten, die mit den Nazis und ihren Verbrechen zu tun haben. Der erste Teil zeigt mit William L. Shirers Berliner Tagebuch, dass die Perspektive des Außenstehenden zwar die einzig mögliche Blickrichtung auf das Dritte Reich ist, dass man aber auch die Verzerrungen in den Blick nehmen muss, denen diese Perspektive unterliegt, wenn die Einblicke, die sie eröffnet, zu bedrohlich werden. Der zweite Teil beschäftigt sich mit der Tarnung, die für Unsichtbarkeit sorgt und damit im Verborgenen der mörderischen Handlung Raum gibt. Der dritte Teil denkt über die Abwesenheit der Nazis in ihren eigenen Erzählungen nach und stellt die Behauptung auf, dass diese Abwesenheit nicht nur von einer entstellten Erinnerung zeugt, sondern von den Tätern schon erzeugt wurde, während sie ihre Verbrechen begingen.

Ines Ramee
Die Suche nach dem väterlichen Blick

Der Text beschreibt in komprimierter Form den Prozess der inneren Auseinandersetzung einer Frau mit privater und Kriegsgewalt Der Text lenkt den Blick auf den Zusammenhang zwischen der im Krieg von den Soldaten ausgeübten Gewalthandlungen und deren Fortsetzung in dem privaten, familiären Bereich in der Nachkriegszeit.

Ingeborg Vonholt
Playback Theater
Seine Chancen für die Aufarbeitung persönlicher und gesellschaftlicher Geschichte

Der Beitrag berichtet über Methoden des Playback Theaters, das uns, in der Tradition jüdischer Geschichtserinnerung, Zugänge zum Unsagbaren verschaffen und Wege aufzeigen kann, uns mit Erinnerung und Wirklichkeit des Holocaust auseinander zu setzen.

Bernd Boll
Die Spur des Vaters
Hinweise für Recherchen nach Familienangehörigen

Der Beitrag versteht sich als Handreichung für alle, die - ohne selbst ausgebildete Historiker zu sein - nach Familienangehörigen im Krieg forschen wollen. Im ersten Abschnitt werden die einschlägigen Bestände des Bundesarchivs umrissen, in erster Linie militärische Überlieferungen der Wehrmacht, der Waffen-SS, der allgemeinen SS und der Polizei. Anschließend folgt ein Überblick über das deutsche Archivrecht, mit Hinweisen zu Sperrfristen, Geheimhaltungsvorbehalten und Zugangsberechtigungen. Der dritte Abschnitt enthält praktische Tipps für die Durchführung von Recherchen nach Einzelpersonen, wobei verschiedene Stadien der Vorinformation berücksichtigt werden. Der Anhang listet dann die wichtigsten Archivadressen, Hilfsmittel für die Ermittlung militärischer Einheiten und Publikationen zum Archivwesen sowie zur Überlieferung der NS-Akten auf. Leseprobe

Joachim Weber
Helfen in Freiheit
Hannah Arendts Handlungsverständnis als Konzept helfenden Handelns

Arendts Konzept menschlichen Handelns bietet die Möglichkeit, Freiheit nicht nur negativ zu verstehen als Befreitsein, sondern inhaltlich bestimmt durch die Momente Initiativität, Pluralität und Sichtbarkeit. Dabei wird die Freiheit nicht in den einzelnen Menschen, sondern zwischen ihnen, im Bezugsgewebe von Handeln und Sprechen lokalisiert. Dies hat Konsequenzen, nicht nur für unser Verständnis von Helfen und die unmittelbare helfende Beziehung, sondern auch für vernetzende Tätigkeiten in der sozialen Arbeit, die Konzeption helfender Institutionen bis hin zu sozialpolitischen Fragestellungen. Handlungsfreiheit, so die These, kennzeichnet nicht ein Moment unter vielen in der sozialen Arbeit; sie erschöpft sich nicht in der Zielidee sozialpädagogischen Handelns in Form von Selbstbestimmung, sondern soziale Arbeit besteht wesentlich in einem freiheitlichen Umgang mit menschlicher Freiheit.

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