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Heft 108: Wie (selbst-)kritisch ist die Theorie Sozialer Arbeit

2008 | Inhalt | Editorial | Abstracts

Titelseite Heft 108
  • Juni 2008
  • 112 Seiten
  • EUR 14,00 / SFr 21,90
  • ISBN 3-89370-442-2
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Sascha Neumann, Philipp Sandermann
Hellsichtige Blindheit
Zur vermeintlichen sozialwissenschaftlichen Wende der sozialpädagogischen Theorie

Es ist eine im wissenschaftlichen Feld der Sozialen Arbeit inzwischen gängige Meinung, die eigene Wissensproduktion als 'sozialwissenschaftlich gewendet' zu bezeichnen (vgl. bspw. Gängler 1995, S. 29; Niemeyer 2003, S. 22). Diese Einschätzung soll im Rahmen des vorliegenden Beitrags angezweifelt werden. Wir beziehen uns dabei insbesondere auf den Schauplatz der sozialpädagogischen Theoriebildung. Unsere These lautet: Die aktuelle Theoriediskussion der Sozialen Arbeit zeichnet sich durch einen Modus der Argumentation aus, der sich 'ontologisch' plausibilisiert. Gelingt es, diese These zu untermauern, so stellt dies u. E. entschieden die herrschende Meinung zur Sozialwissenschaftlichkeit der Wissensproduktion in der Sozialen Arbeit in Frage.

Bernd Dollinger
Sozialpädagogische Theorie zwischen Analyse und Zeitdiagnose

Es dürfte Einigkeit darin bestehen, dass Theorien Sozialer Arbeit im Zeitverlauf einem vergleichsweise großen Wandel unterliegen. Überblickt man den historischen Verlauf der Positionen (vgl. etwa Niemeyer 2005; Marburger 1981; Dollinger 2006), so zeigen sich kulturelle und wissenschaftliche "Moden", die sich in den Entwürfen niederschlagen - was sich auch für Versuche der Bestimmungen theoretischer Positionen sagen ließe. Anstelle einer kumulativen Wissensanhäufung richten sie sich auf "aktuell" erscheinende Perspektiven und etablieren Wissen, das eng an jeweils zeitgenössische Problemerfahrungen gebunden ist. Während einige Theorien auf relativ abstrakter Ebene basale Grundstrukturen sozialpädagogischer Theoriebildung herauszuarbeiten suchen und in diesem Sinne reflexiv angelegt sind, weisen andere Entwürfe ein hohes Maß an Zeitdiagnostik und -spezifik auf. Dies ist an sich für sozialwissenschaftliche Theorien nicht verwunderlich. Nach dem "cultural turn" sind objektivistische Theorien auf einem deutlichen Rückzug (vgl. Sack 2003), auch wenn gerade diese Wendung vor Augen führt, dass die resultierende Frage nach nicht-objektivistischen Theorievarianten ihrerseits einem zeitgebundenen Erkenntnisinteresse folgt. Man kann einer gegenwartsbedingten Perspektivität demnach nicht entkommen. Aber immerhin kann deren Bewusstheit es zulassen, selbstkritische Fragen zu stellen, die einer Aufklärung der Sozialpädagogik über ihre eigenen Wissensbedingungen dienlich sein können. Mit Blick auf die zeitdiagnostischen Anteile theoretischen Wissens soll dies im Folgenden angedacht werden.

Holger Ziegler
Kleine Verteidigung ontologischer Theorien in der Sozialen Arbeit

Diesem kurzen Beitrag geht es darum, eine ontologische Perspektive im sozialwissenschaftlichen und sozialpädagogischen Denken mit zwei Argumenten zu verteidigen: Erstens, weil sie wissenschaftstheoretisch richtig und zweitens, weil sie für die Soziale Arbeit - als zugleich wissenschaftlich und politisch-moralisch betriebenes Projekt - notwendig ist.

Fabian Kessl
"Realität ist real und ist nicht real"
Notate zu aktuellen Konjunkturen eines kritischen Realismus.

Theodor W. Adorno (19581: 64) fordert in seinen Noten zur Literatur I vor 50 Jahren in Bezug auf den Roman: "Will der Roman seinem realistischen Erbe treu bleiben und sagen, wie es wirklich ist, so muß er auf einen Realismus verzichten, der, indem er die Fassade reproduziert, nur dieser bei ihrem Täuschungsgeschäfte hilft." Was wirklich ist, die Objektivität der Dinge zu erreichen, dem freien Geist den Raum geben, der ihm keine "Zuständigkeitserklärung" abverlangt, darum würde es einem solchen, vielleicht als kritisch zu bezeichnenden Realismus gehen - und gerade nicht nur in seiner literarischen Form, wie sie sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts etablierte, und auf die Adorno hier Bezug nimmt. Kritisch, weil ein solcher Realismus der Transformation des Bestehenden verpflichtet bliebe (vgl. Horkheimer 1937/1970). Ein solcher Realismus könnte nicht nur als kritisch bezeichnet werden, sondern im Anschluss an Alex Demirovics (1999: 674) Rekonstruktion der Entwicklung der Kritischen Theorie könnte man ihn auch als "antipositivistisch, antiontologisch und antiszientistisch" bezeichnen. Der Blick auf aktuelle kritisch-realistische Ansätze lässt allerdings Zweifel aufkommen, ob sie diesem Anspruch genügen können. Im Sinne des Schwerpunktthemas des vorliegenden Widersprüche-Heftes interessiert im weiteren Text deshalb, inwieweit anti-ontologische oder anti-essentialistische Perspektiven Teil kritisch-realistischer Ansätze darstellen oder darstellen könn(t)en.

Georg Cleppien
Lebensweltorientierte Orientierung in Widersprüchen

Die Verunsicherung sozialarbeiterischen Entscheidens angesichts von Kontingenzen und Ungewissheiten ist gegenwärtig professionstheoretisch ein zentral diskutiertes Thema. Anlass für diese Debatte ist die Diagnose von Unübersichtlichkeit, Offenheit und Komplexität. Hervorgehoben wird u.a. die Fraglichkeit der sozialpädagogischen Orientierungen, aber auch das Problem, dass SozialpädagogInnen ihre spezifische Professionalität nicht gegen politische oder andere professionelle Ansprüche durchsetzen können (vgl. Thiersch 1993). Mit Blick auf die Fraglichkeit von Orientierungen werde ich im Folgenden einen Interpretationsvorschlag dazu erörtern, was es heißt, sich zu orientieren, um das bei Verunsicherungen zugrunde liegende Orientierungsproblem genauer spezifizieren zu können. Daran anschließend werde ich in Rekurs auf ein Konzept, welches als Orientierungshilfe für die sozialpädagogische Berufspraxis entwickelt wurde, nachzeichnen, wie das Problem gedeutet wird und welche Lösungen thematisiert werden. Das von mir ins Zentrum gestellte Konzept ist das einer "Lebensweltorientierten Sozialen Arbeit" von Hans Thiersch (1992). Da dieses Konzept als wissenschaftlich begründete Orientierungshilfe zu verstehen ist, werde ich dieses abschließend im Kontext sozialpädagogischer Reflexion verorten und auf einige Bedingungen des Konzeptes hinweisen. Deutlich wird dabei, dass das Konzept als Orientierungsangebot mit Versuchscharakter konzipiert ist, welches sich zukünftig noch bewähren muss. Damit aber ist, so meine These, das zugrunde liegende Orientierungsproblem gleichzeitig bearbeitet wie verkannt. Und es lässt sich zeigen, dass die Verkennung aus einem Vorverständnis sozialpädagogischer Berufspraxis resultiert, in der ein Bedürfnis nach Orientierung besteht, für dessen Befriedigung die Möglichkeit zukünftiger Bewährung als ausreichend angesehen wird. Diese Variante der Lösung, im Sinne einer Hoffnung auf Zukünftiges, ist ein spezifisch moderner Umgang mit Problemen (vgl. Cleppien 2007), der nicht in jedem Fall als hilfreich angesehen werden kann.

Matthias Schwabe
"Kampf um Anerkennung" , "Negation" und "Zwang"

Im Heft 4/2007 gab es in meiner Wahrnehmung viele differenziert nachdenkende und nur wenige vorab festgelegte Einlassungen zu unserer Debatte. An dieser Stelle möchte ich auf die Position von Susanne und Michael May eingehen, reklamieren wir doch gemeinsam eine psychoanalytische Position (Jessica Benjamin) und den Bezug auf die Anerkennungstheorie von Axel Honneth, was das Autorenduo mir freilich abzusprechen geneigt ist. Insofern sind hier zentrale theoretische Fragestellungen berührt. Bedient sich jeder von uns nur der Teile, die er brauchen kann, ohne Anspruch das "Ganze" der Theorie im Blick behalten zu wollen oder zu können? Ich glaube nicht. Beide "Lager" meinen "ihren" Hegel bzw. Honneth - oder viel schwieriger, weil noch heterogener und komplexer - "ihre" Psychoanalyse" ordentlich verstanden zu haben...

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