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Heft 109: "Euch werden wir helfen!" - Kinderschutz zwischen Hilfe und Kontrolle

2008 | Inhalt | Editorial | Abstracts

Titelseite Heft 109
  • September 2008
  • 128 Seiten
  • EUR 14,00 / SFr 21,90
  • ISBN 3-89370-445-3
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Joachim Merchel
"Frühe Hilfen" und "Prävention"
Zu den Nebenfolgen öffentlicher Debatten zum Kinderschutz

Die öffentlichen Debatten, die bei jedem "Fall" eines Kindes einsetzen, das durch Misshandlung oder Vernachlässigung zu Schaden gekommen ist, sind gleichermaßen notwendig wie mit problematischen Nebenwirkungen verbunden. Einerseits ist die öffentliche Debatte wünschenswert, weil dadurch das Gewährleisten des Kindeswohls nicht nur als eine Aufgabe von Fachleuten bestimmter Berufsgruppen angesehen wird, sondern verstanden wird als ein Anliegen der gesamten Gesellschaft. Ferner werden durch das Interesse der Öffentlichkeit die zuständigen Institutionen gedrängt, nicht allzu schnell zum "Alltagsgeschäft" überzugehen, sondern sich intensiv mit Fehlern und - zukunftsbezogen - mit Verbesserungsmöglichkeiten auseinanderzusetzen. Andererseits ist jedoch auch zu konstatieren, dass das große Interesse der Öffentlichkeit und der Medien als unmittelbarer Handlungsdruck gegenüber Politik und Institutionen wirkt.

Johannes Münder, Angela Smessaert
Von der Kinder- und Jugendhilfe zur Kinder-Fürsorge und Kinder-Betreuung?

Verbindliche Vorsorgeuntersuchungen, verpflichtende Hausbesuche des Jugendamtes bei jedem Anzeichen von Kindeswohlgefährdung, Meldesysteme für Hebammen und Ärzte, Kindergärten und Schulen - rechtspolitische Vorschläge zum Kinderschutz haben Konjunktur. In Anbetracht verschiedener Fälle von Kindesvernachlässigung und -misshandlung ist das Interesse der Bevölkerung hoch: Tun wir genug zum Schutz unserer Kinder? Kinderschutz ist zurzeit das Thema im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe. Die Politik versucht Antworten zu geben und will verstärkt Instrumentarien zum Schutz von Kindern gesetzlich verankern. Doch unbenommen der Bedeutung von Kinderschutz bleibt kritisch zu hinterfragen, ob hierdurch nicht schleichend eine Verschiebung des Akzents der Kinder- und Jugendhilfe stattfindet, die ebenfalls besorgniserregend, jedenfalls aber diskussionswürdig ist.

Brid Featherstone
Kinderschutz im Vereinigten Königreich
Genderbezogene Implikationen

Dieser Aufsatz untersucht die gegenwärtigen Entwicklungen im Kinderschutz im Vereinigten Königreich und deren genderspezifische Auswirkungen. Er beginnt mit einer kurzen Diskussion des Wohlfahrtsarrangements der Nachkriegszeit. Dem folgt ein Überblick über die Wandlungsprozesse, die 1997 in die Wahl der New Labour Regierung mündeten. Dabei diskutiert der Artikel die gegenwärtige Debatte über die Wünschbarkeit veränderter politischer Strategien hinsichtlich des Erziehungsverhaltens von Müttern und Vätern. Schließlich werden die Konsequenzen dieser Strategien mit Blick auf Kinder erörtert. Auf die Frage der Konzeptualisierung von Gender kann an dieser Stelle nicht im Detail eingegangen werden. Meine wesentliche Position lautet folgendermaßen: Gender ist keine Wesenheit oder innere Wahrheit, aber auch nicht einfach gelernt. Vielmehr wird Gender durchgesetzt und performativ realisiert. Ein zentraler Aspekt meiner Perspektive ist die Relationalität von Gender. Die Bedeutungen, die dem Frau-Sein und Mann-Sein oder den Kategorien Mädchen und Junge beigemessen werden, rühren in einem hohen Maße von ihren wechselseitigen Abgrenzungen her.

Jo Moran-Ellis, Heinz Sünker
Kinderrechte und Kinderpolitik

Kinderrechte sind erziehungswissenschaftlich wie gesellschaftstheoretisch und gesellschaftspolitisch zu begründen und zu konzeptualisieren; dies vor allem im Kontext einer Interpretation der UN-Konvention für die Rechte des Kindes auf der Basis einer Neurelationierung des Verhältnisses von Partizipation, Versorgung und Schutz im Leben von Kindern.

Karl August Chassé
Wandel der Lebenslagen und Kinderschutz
Die Verdüsterung der unteren Lebenslagen

Die Lebenslagen der Adressaten zu beobachten, ihre Entwicklung zu analysieren, wurde in der Konstitutionsphase der modernen Sozialpädagogik zu den zentralen Aufgaben einer Theorie der sozialen Arbeit gezählt - so von Hans Thiersch und Thomas Rauschenbach 1982 in dem viel beachteten Theorie-Artikel des Handbuchs Sozialarbeit/Sozialpädagogik. Die Lebenswelt der Adressaten gilt als "erstes Hauptstück" einer Theorie der Sozialpädagogik/Sozialarbeit. Den gesellschaftlich produzierten, "historischen Charakter von Lebensschwierigkeiten, die Erzeugung und Definition z.B. von Armut, Krankheit, sozialer Notlage" gelte es zu rekonstruieren (Thiersch/Rauschenbach 1982: 1001). Angesprochen wird auch als Aufgabe einer Sozialarbeitstheorie, den Zusammenhang von gesellschaftlich-historischen Rahmenbedingungen und sozialen und professionellen Handlungsmustern im Rahmen von Lebenslagen und schicht- und altersspezifischen Kulturen zu reflektieren. (a.a.O., 1002). Die Frage nach den "gesellschaftlichen Funktionen" sozialer Arbeit als zweites zentrales Hauptstück einer Theorie und die Frage nach den spezifischen sozialpädagogischen Institutionen als drittes Hauptstück einer Theorie lässt sich in der Sicht der Autoren nur im Kontext thematisieren.

Marcus Balzereit
Angst und Abstraktion
Maßgebliches Wissen über die Angst, die Notwendigkeit von Kritik und reflexive soziale Arbeit

Statt in den Chor derer mit einzustimmen, die in Angststörungen ein zunehmendes Problem unserer Zeit zu erkennen glauben, oder statt in Angst einen zentralen Produktivfaktor sowohl für individuelle als auch für gesamtgesellschaftliche Entwicklungen zu vermuten, wird in diesem Beitrag folgende abweichende Behauptung in den Mittelpunkt gestellt: Um etwas Angemessenes über Angst zu lernen, bedarf es zuallererst einer kritisch-distanzierten Auseinandersetzung mit den existierenden und maßgeblichen Wissensangeboten über die Angst. Ein solches Vorgehen kann im Ergebnis der Wiederaneignung der Definitionshoheit über einerseits je eigene singuläre Ängste, als auch über andererseits möglicherweise kollektiv vorhandene Befürchtungen dienlich sein. Dergleichen scheint für die soziale Arbeit deshalb von besonderer Bedeutung, weil angenommen werden kann, dass die dort anzutreffende Klientel von Prozessen sozialer Ausschließung, also objektiver Gefahr, als auch von maßgeblichen Wissensangeboten über die Angst in zunehmendem Maße betroffen ist und betroffen sein wird.

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