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Heft 115: Verstrickte Hochschule - Unternehmen Bildung

2010 | Inhalt | Editorial | Abstracts

Titelseite Heft 115
  • März 2010
  • 166 Seiten
  • EUR 14,00 / SFr 21,90
  • ISBN 3-937461-66-3
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Edgar J. Forster
Kritik der Ökonomisierung

In der politischen Auseinandersetzung mag sich der Begriff 'Ökonomisierung' dazu eignen, Kritik am Umbau der Universitäten zu bündeln und strategisches Handeln zu unterstützen, aber eine Kritik der Ökonomisierung müsste zeigen, was er als Schlüsselbegriff für eine Analyse der aktuellen Entwicklung des Bildungswesens zu leisten vermag und welche Probleme die Verwendung des Begriffs aufwirft: Erstens werden Thesen zu Widersprüchen formuliert, die die Verwendung des Begriffs 'Ökonomisierung' mit sich bringt: Auf welche Verhältnisse bezieht sich Ökonomisierung und welche Strukturen und Praktiken werden dabei ausgeblendet? Zweitens wird am Beispiel programmatischer Texte gezeigt, dass der Begriff 'Ökonomisierung' in der Erziehungswissenschaft von der Ökonomie abgespalten wird und 'nur' als Rationalitätsform auftaucht. Eine Kritik der Ökonomisierung müsste aus diesem Grund stärker, als dies bisher der Fall ist, politisch-ökonomische Theorien in bildungstheoretische Analysen aufzunehmen.

Annita Kalpaka
Lehr-Lern-Verhältnisse an der Hochschule
"Verdeckten Verhältnissen" auf der Spur

In diesem Beitrag geht es um Schlaglichter auf die Arbeit mit Studierenden zum Thema "Lehr-Lernverhältnisse" an der Hochschule im Sinne "forschenden Lernens". Es ist ein Versuch, exemplarisch einige Aspekte der Kritik, die sich in Debatten über Hochschulbildung finden (z.B. Fremdbestimmung, Verschulung, Kontrolle, Verwertbarkeit...) aus der Perspektive der in den kritisierten Strukturen handelnden Subjekte näher zu beleuchten, ihren Erfahrungen und der Deutung derselben Raum zu geben. Insofern verstehen sich solche Überlegungen nicht als Gegenpol, sondern als (bisher eher unterbelichtet gebliebener) Teil der Analyse und Kritik im Kontext von aktuellen Reformdebatten bzw. der Kritik an der gegenwärtigen Restrukturierung der Bildungssysteme. Die Thematisierung von Erfahrungen beim Lernen bzw. Lehren und von Handlungsstrategien im Konkreten bringt die erlebten Konflikte aus der Beteiligtenperspektive zur Sprache. Verstrickt-Sein als eine handelnde Perspektive kann eine andere Ebene als die deutende Beobachterperspektive beleuchten.

Susanne Gottuck, Mona Guhl, Kristina Kroll
Kritik als Haltung?!
(Un)Möglichkeiten kritischen Denkens im erziehungswissenschaftlichen Studium unter Bologna

Zentraler Ausgangspunkt des hier vorliegenden Artikels ist das Unbehagen daran, dass die curricular festgelegten Ziele des BachelorStudiums im Kernfach Erziehungswissenschaft in einem Spannungsverhältnis zu den aktuellen Studienbedingungen stehen. Das Unbehagen besteht vor allem darin, dass curricular eingefordert wird, das Studium solle "zur kritischen Einordnung der wissenschaftlichen Erkenntnisse befähigen" , ohne jedoch über die dafür notwendigen Lehr- und Lernformen zu diskutieren. Zudem bleibt im Curriculum unbestimmt, was mit der "kritischen Einordnung" gemeint ist, welche Ziele sie verfolgt und wie diese erlernt werden kann. Damit "Kritik" nicht zu einem leeren Leitbegriff wird, möchten wir zunächst nach der erziehungswissenschaftlichen Begründung von "Kritik" fragen, um die Notwendigkeit der Herausbildung einer kritischen Haltung innerhalb des erziehungswissenschaftlichen Studiums zu verdeutlichen. Daraufhin wird in Rückgriff auf Michele Foucault ein spezifisches Verständnis einer kritischen Haltung entwickelt. Daraus ergibt sich für uns als Konsequenz, mögliche Formen der Aneignung einer kritischen Haltung im Studium und in universitären Räumen allgemein zu diskutieren.

Fabian Kessl, Michael Lindenberg
Vom wissenschaftlichen Tätig-Sein
Oder: Wozu Schreiben? Ein Gespräch unter Mitwirkung von Hannah Arendt

Vom wissenschaftlichen Tätig-Sein oder: Wozu Schreiben? Ein Gespräch unter Mitwirkung von Hannah Arendt Michael Lindenberg: Fabian, vor ziemlich genau sieben Jahren haben wir uns an der gleichen Stelle schon einmal der Selbstvergewisserung gestellt (vgl. Heft 87 der Widersprüche) - allerdings aus einer deutlich anderen Position. Ich hatte damals meine ersten Jahre als Hochschullehrer hinter mir, und Du warst noch mitten in der zentralen wissenschaftlichen Qualifikationsphase, Deiner Promotion. Heute stellen wir uns die Frage nach dem Sinn oder zumindest der Logik des wissenschaftlichen Tätig-Seins erneut - und nun tun wir das beide als Hochschullehrer, als lebenszeitlich verbeamtete Forscher und Lehrende. "Wozu Schreiben?" also.

Clemens Klockner, Michael May
Bologna und die Folgen für das Verhältnis von Fachhochschulen und Universitäten in Deutschland
Michael May im Gespräch mit Clemens Klockner

May: Die meisten Leute aus dem Hochschulbereich tun ja so, als ob die unter dem Signum "Bologna" zusammengefassten Veränderungen im Bereich Lehre wie eine metaphysische böse Macht über sie gekommen sei. Du gehörst nicht dazu. Du hast als Vizepräsident und Sprecher der Fachhochschulen innerhalb der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und als Mitglied des Wissenschaftsrates dafür gekämpft. Würdest du das heute noch mal machen? Klockner: Ich würde das noch mal machen aus der Überzeugung heraus, dass es einen europäischen Hochschulraum zu erreichen gilt, in dem Abschlüsse gegenseitig anerkannt werden, sodass auf dieser Basis Berufskarrieren ohne Diskriminierung gestartet werden können, und der zugleich die Internationalität zwischen den Studiengängen fördert. Das war damals die Fahne, die ich mit hochgehalten habe. Dafür würde ich mich auch wieder einsetzen, jetzt aber wohl wissend, dass bestimmte Anfangsfehler im Bologna-Prozess erkannt und entsprechend aufgelöst werden müssen.

Friedel Schütte
Zerstörung der Autonomie
Die 'neue' Hochschule zwischen Selbstverantwortung und Benchmark

Die wissenschaftlichen Hochschulen und Fachhochschulen haben das von Brüssel vorgegebene Datum zur nationalen Transformation der Hochschullandschaft mit dem Jahreswechsel 2010 erreicht. Auf dem Weg nach Bologna, der im Juni 1999 mit der Unterzeichnung der Bologna-Erklärung durch 29 europäische Staaten begann, wurde gebummelt, überhastet gehandelt und bildungspolitisch gegängelt. Die konsekutiven Studiengänge sind trotz Umwegen und Ressourcenmangel hochschulpolitische Realität. Eine erste Bilanz zeigt: Die Gruppe der Befürworter ist klein, die Zahl der Bologna-Kritiker wächst von Semester zu Semester. Die mit der ordnungspolitischen Transformation verbundenen Erwartungen erweisen sich nach rund zehn Jahren im Praxistest als überzogen, zynisch und irreführend. Die Situation ist ordnungs- und hochschulpolitisch unübersichtlich. Sowohl die Autonomie als auch die Autorität der Hochschulen stehen zur Disposition. Die mit dem Bologna-Prozess initiierte Verlagerung hochschulpolitischer Entscheidungen an externe Gremien entmachtet die Fachkulturen und degradiert Fakultäten sowie Institute zu einem bürokratischen Annex. Auf diesem Hintergrund erlangen die vorgetragenen Klagen eine neue Schärfe. Die Verschulung akademischer Ausbildung, erhöhter Leistungsdruck, die Blockierung von Mobilität, rechtliche Systemfehler, curriculare Einfalt statt Vielfalt usf. bilden einen Kranz von Ungereimtheiten, der den institutionellen Transformationsprozess in seiner gesamtgesellschaftlichen Dimension in Frage stellt. Die ordnungspolitische Top-Down-Innovation hat mit der Implementation des angelsächsischen Bildungssystems nicht nur Auswirkungen auf die deutsche Hochschulverfassung, mit der Konvergenz von Bologna-Prozess auf der einen und Kopenhagen-Lissabon-Prozess auf der anderen Seite zielt sie auf die Umgestaltung der europäischen Arbeitsmärkte. Obschon die Transformation des deutschen Bildungs- und Hochschulsystems auch als Chance begriffen wird (Herbert/Kaube 2008, Lack/Markschies 2008) überwiegt die Kritik (GEW 2008, Hartmann 2010, Himmelrath 2009, Lieb 2009, Münch 2009, 2010; Negt/Klausnitzer 2003; Scholz/Stein 2009). - Den Hochschulen droht ein doppelter Autonomieverlust. Mit der Etablierung eines neuen Steuerungsmodells geht die Autonomie der Fachkulturen dahin, mit der Verbetriebswirtschaftlichung des Hochschulalltags die Autonomie der Subjekte mit Konsequenzen für Studium, Lehre und Forschung. Die Widersprüchlichkeiten dieses ökonomisch grundierten Transformationsprozesses aufzuzeigen, ist Ziel des Beitrags. Deshalb soll zunächst die neue Phase der Systemsteuerung des deutschen Hochschulsystems in Ansätzen beleuchtet werden (Kap. 2). In einem zweiten Schritt soll die hochschulpolitische Arena begutachtet und das Zusammenspiel von Fachkulturen bzw. Fachgesellschaften und externen Steuerungsagenturen im Rahmen von Deregulierung, Entstaatlichung, Bürokratisierung und Konvergenz der Fachkulturen thematisiert werden (Kap. 3). Die Orientierung an wissenschaftlichen Standards der Natur- und Ingenieurwissenschaften steht dabei mit einem Vergleich von Geistes- und Ingenieurwissenschaft im Mittelpunkt. Abschließend soll das Nachdenken über Alternativen der politisch verkündeten Alternativlosigkeit die Grundlage entziehen (Kap. 4).

Oliver Brüchert
Praxisformen der "Einheit von Forschung und Lehre"

Die aktuelle hochschulpolitische Debatte fordert "Exzellenz in Forschung und Lehre" und verknüpft dieses Desiderat meist mit Forderungen nach einer stärkeren Differenzierung: Es gebe nun einmal exzellente Forscherinnen, die nicht zugleich auch gute (Hochschul)Lehrerinnen seien und umgekehrt. Diese Behauptung ist so zweifellos richtig, wie sie den Kern der Sache verfehlt: Ein zeitgemäßer Begriff der Einheit von Forschung und Lehre zielt auf die selbständige kritische Aneignung von Wissen durch aktive Teilnahme am Forschungsgeschehen - das lässt sich nicht in Vorlesungssälen und Seminarräumen vermitteln. Ein solches zeitgemäßes Verständnis basiert auf der Kritik der herrschenden Wissenschaftspolitik, die dazu tendiert, Forschung und Lehre immer weiter auseinander zu treiben.

Wolfgang Hien
Arbeitswelt und seelische Gesundheit
kann Gesundheitsmanagement helfen?

Die moderne - oder besser: postmoderne - Arbeitswelt erscheint in vielen "offiziellen" Darstellungen als überaus positiv, gleichsam schon als "Reich der Freiheit". So wird beispielsweise auf der Homepage der regierungsamtlichen "Initiative für eine neue Qualität der Arbeit" das Unternehmen SAP als besonders gesundheitsförderliches Unternehmen gewürdigt. SAP verfüge, so heißt es dort, über ein "vorbildliches Gesundheitsmanagement". Was macht SAP und was machen vergleichbare Betriebe und Organisationen wirklich?

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