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Heft 152: Trauma in Zeiten globaler Selbstoptimierung

2019 | Inhalt | Editorial | Abstracts | Leseprobe

Titelseite Heft 152
  • Juni 2019
  • 141 Seiten
  • EUR 15,00 / SFr
  • ISBN 3-89691-022-6
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Michael May, Heidi Schulze
(Wie) Können Traumatisierte sprechen?
Eine dialogische Suchbewegung

In ihrer dialogischen Suchbewegung "(Wie) Können Traumatisierte sprechen?" führen Heidrun Schulze und Michael May Überlegungen aus Gayatri Chakravorty Spivaks Essay "Can the subaltern speak?" weiter, um sie im Hinblick auf diejenigen zu beziehen, die in einer Weise von Gewalt betroffen waren, die gemeinhin als traumatisierend bezeichnet wird. Dabei argumentiert Heidrun Schulze als eine durch Foucault, Vigotskij, Bruner, Derrida und Freire inspirierte Vertreterin des Narrative Therapy Ansatzes, Michael May aus einer an Marx und Dissidenten der Psychoanalyse anschließenden Position.

Roland Anhorn
Trauma, Traumatisierung, Posttraumatische Belastungsstörung
Vom (gescheiterten) Versuch einer emanzipatorischen Politisierung von sozialen Konflikten...

Die psychiatrische Krankheitsentität "Trauma" bzw. "Posttraumatische Belastungsstörung" (PTBS) hat mittlerweile auf breiter Ebene Eingang in die Soziale Arbeit gefunden. Trauma/PTBS stellen allerdings mehr politische denn wissenschaftliche Errungenschaften dar. Die Folgen: eine professionelle Enteignung von Konflikten und gelebten Erfahrungen durch Expert_innen und eine systematische Individualisierung und Entpolitisierung ihrer Bearbeitung. Soziale Arbeit nimmt dabei in erster Linie die Rolle einer Rezeptions-, Verwaltungs-, Vermittlungs- und Popularisierungsinstanz des psychopathologischen "Störungsbildes" PTBS ein. Will Soziale Arbeit mehr sein, muss sie sich aus einer alltagskritischen und konflikttheoretischen Perspektive auf alternative diskursive Praktiken und Interventionsformen einlassen: Auf die Rückübersetzung des psychiatrischen Vokabulars in eine repolitisierende Sprache der Verhältnisse, der Interessen und schwierigen Situationen und auf die Entwicklung einer sozialen Infrastruktur, die eine Wiederaneignung der üblicherweise als Trauma interpretierten Konflikte und gelebten Erfahrungen ermöglicht.

Marcus Balzereit
Trauma-Politiken-Invers
Alternativen der Bearbeitung menschlichen Elends und dessen psychische Folgen, in der Perspektive kritischer internationaler Hilfs- und Menschenrechtsarbeit

Die Kritik an Formen der Bearbeitung von Traumata beginnt in der Auseinandersetzung mit dem konkreten leidenden Individuum und bezieht sich zugleich auf die Frage nach den gesellschaftlichen Bedingungen für psychisches Leid. Im Zuge einer expliziten politischen Haltung, eines andauernden Diskurs-Interventionsprojekts und eines Blicks auf die globalen Entwicklungen, zeigen sich Umrisse eines von Effizienzmaßstäben getriebenen weltumspannenden Ordnungsprojekts. Verdinglichende Theorien und Praktiken, zunächst in Ländern des globalen Südens getestet, sollen zum Maßstab für eine gute psychosoziale Arbeit gegen "Traumafolgestörungen" auch hierzulande werden. Möglichkeiten einer anderen, auch gesellschaftstheoretisch begründeten Praxis werden aufgezeigt. Leseprobe

Julia Manek
Trauma, Terror, Territorium
Interdisziplinäre Überlegungen zum kritischen Potential von Trauma-Konzepten

In der psychologischen Behandlung von verschiedenen Populationen, die potentiell traumatisches erleben bestehen schreiende Ungleichheiten. Es stellt sich die Frage, ob bzw. welches progressive Potential "Trauma" als psychologisches Konzept überhaupt entfalten kann. Aus befreiungspsychologischer und feministisch-geographischer Perspektive wird Kritik am klinischen Konzept der Traumatisierung geübt und Überlegungen hin zu einer Annäherung an Trauma-Konzepte aufgestellt, die soziale und politische Aspekte integrieren.

Arianne Brenssell
Das Forschungsprojekt "Kontextualisierte Traumaarbeit"
Schlaglichter einer partizipativen Forschung

Der Beitrag stellt die partizipative Forschung "Kontextualisierte Traumaarbeit" zusammen mit dem Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe vor. Angesichts einer vorwiegend biomedizinisch orientierten Traumadebatte, die strukturelle Gewalt, Macht- und Geschlechterverhältnissen weitgehend ausblendet, untersucht das Forschungsprojekt Haltungen und Praxis einer emanzipatorischen, feministischen Traumaarbeit, in der Machtverhältnisse systematisch beachtet werden.

Eva Georg
Ambivalenzen eines hegemonialen Traumadiskurses im Kontext Beratung und Soziale Arbeit
Zwischen Einspruch und Anspruch

Wo einerseits Mitarbeiter_innen auf Ämtern oder innerhalb der Polizei offenbar kaum 'Traumakompetenzen' aufweisen, meinen viele (auch kritisch zu Herrschaftsverhältnissen positionierte) Sozialarbeiter_innen ihre Arbeit nicht mehr ohne eine Traumafortbildung leisten zu können. Exemplarisch am Thema Trauma und Flucht wird das Dilemma des hegemonialen Traumadiskurses zwischen Anspruch und Einspruch im Kontext von Sozialer Arbeit anhand eines 'Falls' aus der psychosozialen Beratungsarbeit verdeutlicht.

Felix Busch-Geertsema
Eine ausgebrannte Feuerwehr kann keine Brände löschen
Selbstüberlastung in der Flüchtlingssozialarbeit

Stress, Überlastung und Burn-Out sind typische Begleiterscheinungen Sozialer Arbeit für ihre Praktiker*innen. Im Feld der Flüchtlingssozialarbeit erscheinen diese Symptome in einer besonderen Qualität, was anhand ihrer spezifischen historischen Bedingungen erklärt werden kann. Dabei handelt es sich um ein Geflecht aus entrechteten Adressat*innen, einem historisch von Ehrenamt und unbezahltem Aktivismus geprägten Arbeitsfeld, der Kontinuität kolonialer Muster in den Beziehungen zwischen Praktiker*innen und Adressat*innen und wirkmächtigen Geschlechterverhältnissen in einem besonders feminisierten Bereich Sozialer Arbeit. Dieser Artikel versucht durch eine Analyse Möglichkeitsräume zu erschließen für Gegenstrategien und Konfliktbündnisse.

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