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Heft 77: Der kontraktuelle Sozialstaat - Herrschaft des Managements? Ende der Profession?

2000 | Inhalt | Editorial | Abstracts | Leseprobe

Titelseite Heft 77
  • September 2000
  • 112 Seiten
  • EUR 11,00 / SFr 19,80
  • ISBN 3-89370-345-4

Michael Muetzelfeldt

Profession und Neues Management in den Sozialen Diensten
Die Auswirkungen der Organisationsformen auf die Klienten

Die Neustrukturierung durch Märkte, Wettbewerb und Kontraktmodelle

Wie auch in anderen angloamerikanischen Ländern gab es in Australien eine starke Tendenz, wettbewerbliche und kontraktuelle Ansätze für die Neustrukturierung der öffentlichen Verwaltung zu nutzen (vgl. Department of Administrative Services 1995; Stewart 1996). In diesem Beitrag sollen die Veränderungen der Grundsätze, der Organisation, der Ziele und der Einstellungen erörtert werden, die dadurch in den öffentlichen Sektor hineingetragen wurden und die sich in der Politik der Sozialen Dienste als Teil dieses Prozesses vorrangig offenbarten. Zunächst soll der Nutzen beschrieben werden, den der Markt und das Vertragsmodell für die Neustrukturierung der Organisationen haben, die mit der öffentlichen Verwaltung befasst sind. Danach wird untersucht, welche Wirkung die Neustrukturierung auf das öffentliche Interesse und die öffentliche Verantwortung hat und auf das Verständnis vom Menschen als Bürger. Schließlich wird aufgezeigt, wie die Sozialpolitik die negativen Folgen des vorherrschenden Kontraktmodells durch aktives Engagement überwinden könnte.

Die Idee des Vertrages basiert auf der Trennung der Regierung als Käufer von Gütern und Dienstleistungen und der öffentlichen oder privaten Organisationen, die diese zur Verfügung stellen ("Trennung von Käufer und Anbieter"). Kleine staatliche Verwaltungsabteilungen kaufen Dienstleistungen von Organisationen, die nicht dem öffentlichen Sektor angehören und per Vertrag zu Anbietern werden. In Reinventing Government popularisierten Osborne und Gaebler (1992) die Trennung von Käufer und Anbieter mit der einleuchtenden, wenn auch vereinfachenden Formel "steuern, nicht rudern" (in der deutschsprachigen Debatte findet sich die Käufer/Anbieter-Trennung folgerichtig unter dem Schlagwort "Neue Steuerung" wieder, d.Ü.). Tatsächlich entsteht ein Markt oder ein Pseudo-Markt, auf dem potentielle Anbieter um Verträge konkurrieren, in denen genau festgelegt wird, zu welchen Bedingungen welche Güter oder Dienstleistungen erbracht werden sollen.

Am konsequentesten und radikalsten wurde das Vertragssystem zwischen 1992 und 1999 im australischen Staat Victoria umgesetzt. In Form einer Fallstudie wurde dies recht ausführlich in Alford/O'Neill (1994) beschrieben. Der Victoria Commission of Audit (1993b: 2) legte drei Grundsätze für die Neustrukturierung der Verwaltung nieder. Erstens: Das Ministerium, das für Politikentwicklung, Regulation und die Vergabe von Verträgen über die Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen verantwortlich war, sollte von der Organisation, die diese Güter und Dienstleistungen anbietet, eindeutig abgegrenzt sein. Zweitens: Die Verwaltungen sollten darauf abzielen, klar definierte Ergebnisse (outputs) zu kaufen, anstatt inputs wie Löhne, Gehälter und Betriebskosten zu leisten. Das Ministerium sollte die Verantwortung für die Ergebnisse übernehmen und mit den Anbietern Verträge über spezifische outputs abschließen, um zu gewährleisten, dass diese Ergebnisse auch erzielt werden. Und drittens: Die Regierung sollte nach Möglichkeit dafür Sorge tragen, dass die Konkurrenz zwischen den Anbietern gefördert wird.

Alford et al. (1994: 5f.) haben für Victoria vier Arten von Verträgen identifiziert: Verträge zwischen Unternehmern und Angestellten; zwischen der Regierung als Käufer und einer staatlichen Organisation als Anbieter; zwischen der Regierung und einem Privatunternehmen oder einer Freiwilligenorganisation; schließlich Verträge zwischen dem individuellen Verbraucher und dem Privatunternehmen, wie sie durch Privatisierung entstanden sind.

Die Motivationen für die Käufer/Anbieter-Trennung sind unterschiedlich. Ein Argument lautet, sie stärke die "individuellen Rechte sowie die Verantwortlichkeit der Regierung" (Harden 1992: xi), aber auch die Responsivität auf die Bedürfnisse der Klienten oder Kunden (vgl. Osborne/Gaebler 1992). In den Augen neoliberaler Kommentatoren mindert die Trennung außerdem die Gefahr, dass die staatliche Verwaltung sich von ihren Klienten dazu hinreißen lässt, mit ihnen zusammen mehr und teurere Dienste zu fordern (vgl. Dunleavy/O'Leary 1987). Für die Praxis spielt vor allem die Einschätzung eine Rolle, die Kosten könnten anhand einer durch die Errichtung von Märkten oder Quasi-Märkten verbesserten Effizienz gesenkt werden. Sowohl die Victoria Commission of Audit (1993b: 81ff.) als auch die National Commission of Audit der australischen Regierung (1996: 66ff.) sehen in den unterschiedlichen Varianten des contracting out die Möglichkeit zu wesentlichen Einsparungen bei den Gesundheits- und Sozialausgaben: Der Wettbewerb werde gestärkt, die Preisgestaltung werde in allen möglichen Bereichen verbessert, angefangen vom contracting out der Reinigungsdienste in Krankenhäusern und Pflegeheimen bis hin zum größeren Verhandlungsspielraum über die Arbeitsbedingungen in der Kinder- und Altenpflege.

Das damit skizzierte neue Managementmodell für den öffentlichen Sektor berührt eine Reihe von Fragen in den Bereichen Organisation und Management sowie öffentliches Interesse und öffentliche Verantwortung. Ihnen allen liegt aber letztlich die Frage nach der Beziehung zwischen Bürgern und Staat zu Grunde: Sollte diese den Charakter einer effizienten Versorgung von Kunden mit Dienstleistungen haben oder denjenigen von bürgerschaftlicher Teilhabe? Wie diese Frage beantwortet wird, das hat gravierende Auswirkungen auf die Professionellen in den Sozialen Diensten, denen die Vermittlerrolle zwischen dem Staat und seinen Bürgern bzw. Kunden zufällt.

Fragen der Organisation und des Managements

Das Modell der Neuen Steuerung im öffentlichen Sektor gleicht dem Franchise-Modell im privaten Sektor. Der Vertragsnehmer (Anbieter) wird üblicherweise aufgefordert, eine standardisierte Dienstleistung an vorgegebene Kategorien von Klienten zu liefern und dabei eng definierte Maßstäbe zu Vorgehensweise, Buchführung und Mittelverwendung einzuhalten. Die Verträge werden von kleinen Verwaltungsabteilungen der Regierung (Käufer) formuliert, bezahlt und kontrolliert; diese legen auch die Maßstäbe fest und setzen sie mit der Macht eines Marktmonopolisten durch. In einigen Bereichen ist es relativ leicht, Organisationen zu Kontraktorganisationen zu machen, wie beispielsweise bei Krankenhäusern, die zwar getrennt vom Regierungshandeln operieren, aber über relativ klare Budgetzuweisungen und organisatorische Strukturen mit der Regierung verbunden sind. Fall- und kriterienbezogene Mischfinanzierung und Wettbewerb mit anderen Anbietern sind bevorzugte Instrumente, Krankenhäuser in Kontraktorganisationen zu transformieren. Wenn das erst einmal geschafft ist, bleiben nur noch organisatorisch einfache (höchstens politisch heikle) Schritte übrig, bis das Krankenhaus oder einige seiner Funktionsbereiche privatisiert sind.

Das Käufer/Anbieter-Modell wird im privaten und im öffentlichen Sektor oft mit dem Argument befürwortet, es lasse die Manager managen und übertrage den Einrichtungen vor Ort, die besser auf die Bedürfnisse der Klientel reagieren könnten, die Verantwortung. Es gibt jedoch massive Probleme. Erstens gilt die Aufmerksamkeit der Regierung wie der Anbieter spezifischen und greifbaren, in Kontrakten definierbaren outputs für identifizierbare Klienten. Damit werden weniger greifbare Ergebnisse für nur indirekt Betroffene oder weniger deutlich eingrenzbare Gruppen außer Acht gelassen, wie beispielsweise für solche Familien und Gemeinschaften, die die eigentlichen Klienten unterstützen. Zweitens basiert die Neue Steuerung auf einem Vorgehen, das ich als Zentralisierung strategischer Kontrolle bei gleichzeitiger Abgabe taktischer Verantwortung beschrieben habe (vgl. Muetzelfeldt 1992). Als Ergebnis mögen sich Manager - bzw. Dienstleistungsunternehmen mit Verträgen mit der Regierung - für die Erbringung von Dienstleistungen innerhalb von Managementrahmen und Ressourcenzwängen verantwortlich finden, die sie nicht beeinflussen können und die sie als Behinderung ihrer Fähigkeit, den erforderlichen output zu erbringen, wahrnehmen mögen. Privat praktizierende Psychiater bspw. können nur für die ersten fünfzig psychiatrischen Beratungen im Jahr mit der vollen Kostenerstattung rechnen. Ähnliches gilt für die Verwaltungen von Altenheimen. In jedem Fall hat der Dienstleister wenig oder gar keine Kontrolle über die Bedingungen und Ressourcen, aber er ist dafür verantwortlich, Dienstleistungen in ihrem Rahmen zu erbringen.

Die Kontraktmodelle implizieren strenge Trennungen zwischen der Regierung als Käufer und den Dienstleistungsunternehmen als Anbieter sowie zwischen diesen Unternehmen und den Klienten. Die drei Parteien - Regierung, Dienstleister, Klienten - verbindet der vertragsmäßige Austausch von Verhalten oder Ressourcen. Zum Beispiel kann die Regierung von Institutionen wie Krankenhäusern oder Wohlfahrtseinrichtungen spezifizierte Gesundheits- oder Fürsorgeleistungen kaufen, die auf einen bestimmten Klienten zugeschnitten sind. Auf der anderen Seite erbringen die Institutionen Dienstleistungen, für die sie entweder vereinbartes konformes Verhalten (wie Enthaltung von Alkohol) oder Gebühren erhalten.

Dies steht in Kontrast zu den bürokratischen Modellen der konventionellen großen Organisationen, über die die Regierung traditionellerweise handelte. Danach wurden die Mittel den Krankenhäusern oder Wohlfahrtseinrichtungen auf der Basis historischer Verteilungsmuster und aktuellen Bedarfs zugewiesen; letzteren festzustellen, war Aufgabe der professionellen Gesundheits- und Sozialarbeiter, die sich mit Patienten und Klienten befassten. Die neue vertragliche Trennung soll vermeiden, dass Regierungsinstitutionen 'von ihren Klienten in Beschlag genommen werden', dass sie ihre möglicherweise geringen oder ineffizienten Leistungen hinter Klientenvertretern verstecken, die zu diesen in einem komplizenhaften oder abhängigen Verhältnis stehen. Doch der Nachteil ist, dass Gesundheits- und Sozialarbeiter gezwungen sind, ihre professionellen Entscheidungen darüber, wie sie mit individuellen Klienten umgehen, auf das Kriterium zu beschränken, wie die erforderlichen Budgetgrenzen und Leistungsprofile eingehalten werden können. Außerdem wird der Austausch von Informationen, das gemeinsame Lernen und der Raum für Neues innerhalb breiterer - weniger klar definierter - Partnerschaftsarrangements zwischen Regierung, Institutionen und Klienten beschnitten (vgl. Considine 1988).

Kontraktuelle Dienstleistungssysteme werfen eine Reihe von neuen Fragen über den Charakter und das Leistungsspektrum öffentlicher Dienste auf.

  • Was sind staatliche Kernaufgaben bzw. Aufgaben des Gemeinwohls, deren Gewährleistung ein Dienstleistungssystem sicherstellen muss?
  • Schließen diese Aufgaben solche für eine breite Population ein (bspw. die Erreichung einer möglichst niedrigen Kindersterblichkeitsrate) und relativ wenig greifbare Folgen für die Gemeinwesen als Ganze (allgemein gültige Lebensqualitätsstandards oder Vertrauen in das Wohlfahrtssystem)?
  • Wie, wenn überhaupt, können diese basalen Anforderungen in die Dienstleistungsverträge eingeschrieben werden, wenn Verträge im allgemeinen spezifische und greifbare outputs für direkte und eindeutig identifizierbare Klientengruppen formulieren, um den Kategorien der üblichen Untersuchungen der Klientenzufriedenheit zu genügen?
  • Welche Politikentwicklungs- oder Dienstleistungsaufgaben und Verantwortlichkeiten müssen zentral kontrolliert werden, wenn sie dem öffentlichen Interesse dienen sollen, und welche können mittels contracting out besser wahrgenommen werden?
  • Welche Informationen zu Management und Leistung eines Anbieters braucht die Regierung, um beurteilen zu können, ob sie die von ihm gekauften Leistungen auch erhält? Kann sie darauf vertrauen, diese Informationen verlässlich zu erhalten?
  • Können Vertragssysteme so entworfen werden, dass Dienstleistungsunternehmen ermutigt werden, ihre Qualifikationsbasis zu erweitern, innovatives Verhalten zu lernen und Informationen über Klientenbedürfnisse und -erwartungen an den Vertragspartner rückzumelden, damit zukünftige Leistungsvereinbarungen den Bedürfnissen und Fähigkeiten aller Parteien im Sinne einer Partnerschaft besser gerecht werden?
  • Kann eine Kommunikation zwischen Dienstleistungsunternehmen, Klienten und anderen Interessengruppen zu Stande gebracht werden, die gemeinsame Problemidentifikationen, Problemlösungen und Lernprozesse ermöglicht?

Fragen des öffentlichen Interesses und der öffentlichen Verantwortung

Kritiker des Kontraktsystems argumentieren, dass öffentliche Interessen, allgemeine Werte und die Verantwortung der Öffentlichkeit ernsthaft in Frage gestellt werden, wenn öffentliche Dienstleistungen von Organisationen erbracht werden, die in einem reinen Vertragsverhältnis zur öffentlichen Hand stehen. Sie betonen die gegenüber dem privaten Management besonderen Anforderungen an ein öffentliches Management und argumentieren, dass diese nicht erfüllt werden können, wenn Methoden aus dem privaten Sektor zur Anwendung kommen (vgl. Alford/O'Neill 1994; Pollitt 1993; Stretton/Orchard 1994).

So listet zum Beispiel Pollitt (1993) eine Reihe von Schlüsselanforderungen an die öffentliche Verwaltung auf. Dazu vergleicht er allgemeine Werte, in denen sich die öffentliche Verwaltung vom privaten Management unterscheidet. Er hebt hervor, dass managementorientierte Techniken wie Budgetierung oder Rationalisierung von Dienstleistungen im öffentlichen Sektor auf der Beurteilung der Bedürfnisse beruhen sollten, die ihrerseits das Ergebnis eines politischen Aushandlungs- und Schlichtungsprozesses ist. Die Profitmaximierung im Rahmen eines marktorientierten Prozesses sollte dagegen nicht im Vordergrund stehen. Pollitt (1933: 151) argumentiert:

"Verantwortlichkeit gegenüber der Öffentlichkeit geht über den bloßen Rechenschaftsbericht hinaus. Der Manager im öffentlichen Sektor muss es schaffen, sich in vieler Hinsicht und auf unterschiedlichen Ebenen verantwortlich zu zeigen. Vorsicht und Korrektheit dürfen den Willen zum Experiment und die Responsibilität gegenüber öffentlichen Bedürfnissen nicht beeinträchtigen."

Befürworter des contracting out (vgl. etwa Victorian Commission of Audit 1993a) weisen diese Einschätzung zurück. Sie argumentieren, die öffentlichen Interessen würden durch kleinere und effizientere Verwaltungen, die ihre Fach- und Budgetverantwortung betonen, besser bedient und gestärkt. Dies sei vor allem deshalb möglich, weil sie auf Wettbewerb basierte kontraktuelle Arrangements zulassen. Diese Sichtweise unterstellt, das öffentliche Interesse sei nichts anderes als die bloße Summe von Einzelinteressen derjenigen Personen, die in unmittelbarem finanziellen Austausch mit dem Staat stehen. So formulierte der frühere britische Premier John Major: "Öffentliche Dienste sind einzig und allein nur dazu da, ihren Nutzern zu dienen" (zit. nach Lawson/Walker 1994: 85). Diese Auffassung spiegelt zwei mikroökonomische Annahmen: Erstens, die Gesellschaft sei nichts anderes als die Summe ihrer Individuen (oder, um es mit Margret Thatchers berühmt-berüchtigten Worten zu sagen: "so etwas wie Gesellschaft gibt es gar nicht"). Und zweitens, der Gesamtnutzen einer Gesellschaft sei nichts anderes als die Summe der Einzelnutzen ihrer Individuen, wie sie sich aus ihren Transaktionen ergeben. Kurz, durch ihr Kleinreden jedes wirklich öffentlichen Interesses verankern sich die Anwälte des contracting out fest in einer marktorientierten Sichtweise. Dabei nutzen sie den Markt nicht nur als einen Mechanismus, Politik effizient umzusetzen, sondern auch als das Kriterium schlechthin, an dem sich öffentliche Politik orientieren sollte.

Trotz der ihm unterstellten Effizienz bestehen auch auf dem Markt eine Reihe gut bekannter Probleme. So gibt es eine Neigung zum Marktversagen, sobald die idealen Verhältnisse des Marktmodells nicht verwirklicht sind. Im Gesundheits- und Sozialbereich können Märkte oder Pseudo-Märkte auf unterschiedlichen Ebenen aufgebaut werden. So können Klienten sich etwa ihre Unterstützung von professionellen Sozialarbeitern kaufen, wobei diese die dafür erforderlichen Ressourcen (etwa Notunterkünfte oder psychiatrische Dienstleistungen) lediglich arrangieren oder ihrerseits von anderen Dienstleistungsunternehmen erwerben. Eine andere Möglichkeit liegt darin, dass Regierungsorganisationen ganze Dienstleistungspakete von privaten Anbietern kaufen. Bei all diesen Formen bestehen in der Regel große Informationsunterschiede zwischen Anbietern und Käufern. Häufig sind die Käufer in weit höherem Maße von der Dienstleistung abhängig als die Verkäufer von deren Verkauf, und in vielen Situationen besteht eine große Abhängigkeit von Faktoren, die nicht in das Dienstleistungskalkül einbezogen werden können. Daher erfüllen Märkte und Pseudo-Märkte im Gesundheits- und Sozialbereich nicht die idealen Bedingungen des Marktmodells. Aus diesem Grund ist zu erwarten, dass sie nicht effizient sind, obwohl darin doch ihr Hauptzweck und ihre potentielle Stärke liegen.

Zudem sind in das Marktmodell, trotz seiner vermeintlichen Wertneutralität, bedeutende Werte eingebettet. Ideale Märkte, so wird behauptet, erbringen die effizienteste Verteilung der Ressourcen, und zwar unabhängig von deren Gerechtigkeit und Billigkeit. Zudem, und dies wurde bereits erwähnt, bemerken und messen sie nur die Vorteile, die die Individuen unmittelbar als ihre eigenen Vorteile wahrnehmen und in Markttransaktionen umsetzen. Sie bemerken und bemessen dagegen keine Gruppenvorteile oder indirekten Vorteile, z.B. statistisch nachweisbare langfristige Faktoren wie ein Ansteigen der Zufriedenheit in der unmittelbaren Wohnumgebung. Märkte betonen die Effizienz und vernachlässigen Gerechtigkeitsfragen, sie befördern kurzfristige individuelle Vorteilsnahmen, und sie sind blind für indirekte und später zu erwartende Vorteile.

Daher kann es nicht verwundern, wenn ein leitender australischer Verwaltungsbeamter schreibt:

"Es besteht die Gefahr, dass Mittel und Zwecke verwechselt werden. Diese Gefahr besteht immer dann, wenn Prozesse in Gang gebracht werden, mit denen der Wettbewerb gestärkt wird (etwa im Gesundheitswesen), ohne zuvor die erwarteten Resultate zu spezifizieren. Erfahrungen aus Großbritannien und den Vereinigten Staaten zeigen, dass leitende Verwaltungsbeamte mit Märkten spielen', also zunächst ausprobieren, was funktioniert und was nicht, ohne über ausreichende Erfahrungen zu verfügen. Dies zeigt sich vor allem im Gesundheitswesen, wo eine starke Spannung besteht zwischen der Erfordernis, einen internen Markt zu konstruieren, einerseits und dem Zögern, dessen Kontrolle als eine Verwaltungsaufgabe aufzufassen, andererseits. Letzteres ist jedoch absolut erforderlich, da die Notwendigkeit besteht, über diesen Markt die erwünschten Resultate zu erhalten" (Edwards 1996: 34).

Die Befürworter des contracting out argumentieren, die öffentlichen Interessen - etwa Unterstützungsleistungen oder der Schutz bedürftiger oder benachteiligter Klientengruppen - könnten genau benannt, beziffert und daher in die Verträge eingebaut werden - etwa durch Community Service Obligations (CSO). Diese werden als effizientes Instrument gesehen, um die erwünschten Resultate zu erzielen. CSO definieren Anforderungen an die Dienste oder Produkte, von denen die Regierung entschieden hat, dass sie verfügbar sein sollen, obwohl dies in einer reinen Marktsituation nicht möglich wäre, und welche die Regierungsorganisationen daher als direkte Käufer in den Kontrakten festlegen sowie die erforderlichen Mittel dafür eingeworben haben (vgl. Steering Committee 1994). Beispiele dafür können sein: einheitliche Gebühren für psychologische Konsultationen, unabhängig davon, ob die Lage der Praxis günstig oder ungünstig ist; einheitliche Rezeptgebühren für alle verschriebenen Medikamente, unabhängig von deren Marktkosten; oder auch Subventionen für Pflegeheime in ländlichen Gebieten.

Die Regierungen können solche Community Service Obligations aus einer Vielzahl von sozialen oder wirtschaftlichen Gründen festlegen. Solche Gründe können etwa die Verminderung von Nachteilen sein, die sich aus geografisch abgelegenen Wohnsituationen ergeben (vgl. Briskman 1999); oder zu erreichen, dass behinderte oder benachteiligte Menschen den vollen Zugang zu öffentlichen Gütern wie öffentliche Transportmittel oder Elektrizität erhalten, und zwar auch dann, wenn diese Güter von privaten Anbietern bereitgestellt werden, oder aber um regionale Wachstumsraten zu unterstützen. CSO zielen darauf ab, die Regierungspolitik durch klare und direkte Budgetverantwortung für fest umrissene, spezifische Aufgaben transparent zu gestalten. Sie stellen darauf ab,

  • der Regierung explizite Kontrolle über ihre politischen Entscheidungen zu geben;
  • historische, zufällige oder verdeckte Unterstützungen durch heimliche Transfers oder versteckte Kosten zu vermeiden;
  • die Kosten der politischen Entscheidungen und deren beabsichtigte Nutzen explizit zu machen;
  • sowohl die Regierung selbst als auch die Dienstleister, die im Regierungsauftrag tätig werden, einer erhöhten Transparenz und Verantwortlichkeit zu unterwerfen.

Das Konzept der CSO geht allerdings davon aus, dass die Allokation von Gütern und Dienstleistungen über den Markt erfolgt und dass jede Abweichung von dieser Norm ausdrücklich erklärt, in ihren Kosten benannt und gerechtfertigt werden muss. Mit CSO wird angestrebt, bestimmte öffentliche Interessen in einem politischen Klima zu schützen, das nicht auf einer Sichtweise basiert, wonach die Gesellschaft aus komplexen, impliziten und mehrdimensionalen Beziehungen und in erster Linie politisch miteinander verbundenen Bürgern besteht, die nicht auf marktförmige Beziehungen reduziert werden können. Doch zur gleichen Zeit stellen sie sicher, dass die Kosten für den Schutz der öffentlichen Interessen deutlich werden und insoweit politisch gerechtfertigt werden können.

Mit Kontrakten und öffentlichen Dienstleistungsvereinbarungen werden zwar die Kosten und die Effizienz der Leistungserbringung besonders in den Blick genommen. Gleichwohl bestehen allgemeinere, weniger offensichtliche, jedoch sehr wichtige Aspekte öffentlicher und politischer Leistungserbringung, die mit solchen Kontrakten und Vereinbarungen nicht erfasst werden können. Dazu gehören in neuerer Zeit Fragen des Risikomanagements' und der Risikoverteilung. Wenn solche Fragen in den Kontrakten nicht behandelt werden, so kann dies dazu führen, dass Risiken, die staatliche Stellen früher als Teil ihrer allgemeinen Verpflichtung gegenüber der Öffentlichkeit zu tragen hatten, nunmehr auf die Nutzer abgewälzt werden. So hat zum Beispiel der australische "Commonwealth-Ombudsmann" von einem Fall berichtet, bei dem der Betreiber einer privaten Klinik für Schulden gerade stehen musste, die entstanden waren, weil der vorherige Besitzer von Gesundheitsministerium überzahlt worden war. In einem anderen Fall stellte das Department of Veterans' Affairs wegen eines Betrugsverdachts ohne Vorankündigung die Leistungen für einen gemeinwesenorientierten Hebammendienst ein. In diesen Fällen standen die Empfänger von Sozialdienstleistungen in ihrer Position als Klienten privater Unternehmer, die ihrerseits in einem kontraktuellen Verhältnis mit staatlichen Stellen standen, vor der Situation, die ihnen zustehenden Dienstleistungen nicht mehr zu bekommen - und zwar wegen der Risiken, die in solche Kontrakte eingebaut sind. Diese Risiken können durch ihre ausdrückliche Benennung in den Kontrakten oder durch den Abschluss einer Versicherung zwar besser gehandhabt werden. Dies führt jedoch zu einer Reduktion der erwarteten Kostenersparnis.

Da Kontrakte an spezifische Kriterien ihrer Leistungserbringung zwischen spezifischen Parteien gebunden sind, können sie keine Leistungen für die Öffentlichkeit erbringen, die außerhalb des direkten Klientenkontakts liegen. Zugleich erbringen sie keine Leistungen, deren Nutzen sich erst langfristig erweisen könnte. Zwar drücken die zuständigen Länderminister immer wieder ihre Besorgnis über die gerechte Verteilung zwischen den Generationen aus, wenn sie über die Notwendigkeit der Verminderung öffentlicher Leistungen im Interesse der Entschuldung der öffentlichen Hand sprechen; doch zeigen sie diese Besorgnis nicht, wenn es um die langfristigen Konsequenzen durch Umweltschäden oder den auf Grund der Verschlechterung von Arbeitsbedingungen ansteigenden Stress geht. Zudem entziehen sie sich der Diskussion um die politische Verantwortung der Öffentlichkeit hinsichtlich dieser allgemeinen öffentlichen Interessen.

Kunden, öffentliche Nutznießer und Bürger

Die Kundenorientierung begann im privaten Sektor als Antwort auf den zunehmenden Konkurrenzkampf der Unternehmen um Marktanteile. Die Tatsache, dass unzufriedene Kunden jederzeit woanders hingehen können, stellte dabei einen mächtigen Anreiz dar. In den achtziger Jahren wurden staatliche Unternehmen wie die British Telecom und teilweise die Australia Post und die Telecom Australia dem Wettbewerb ausgesetzt. Zur gleichen Zeit fing der öffentliche Sektor (nicht nur) in Australien an, statt bürokratischer Prozesse betriebswirtschaftliche Verfahren zu betonen und sich selbst als Dienstleistungsunternehmen zu verstehen. Im Ergebnis griff die Kundenorientierung des privaten auf den öffentlichen Sektors über. In Australien beschleunigte sich dieser Prozess insbesondere unter dem Einfluß der National Competition Policy, die 1995 mit einer Vereinbarung der Commonwealth-Staaten eingeführt wurde.

Die britische Major-Regierung führte 1992 eine "Bürger-Charter" ein, die zum Ziel hatte, die Position der Bürger in ihrem Verhältnis zum öffentlichen Sektor zu stärken. Verstärkter Druck von außen sollte den öffentlichen Sektor dazu zu bewegen, seine Leistungen zu verbessern. Dieser "Bürger-Charter" liegt die Annahme zu Grunde, dass mit dem Bürger das einzelne Individuum gemeint ist, das direkt Dienstleistungen empfängt. Weiter geht sie davon aus, dass der öffentliche Sektor dazu da ist, dem Einzelnen zu dienen und nicht bestimmten Interessengruppen oder dem öffentlichen Wohl'. Ähnliche Charters wurden in Australien erlassen, z.B. die Steuerzahler-Charter oder die New South Wales Government's Guarantee of Service (1992: 1), die "in allererster Linie" sicherstellen wollte, "dass die Regierung von New South Wales der Bevölkerung als ihrem Kunden dient." Im Gegensatz zur britischen vermeiden es die australischen Charters, die angesprochenen Kundengruppen "Bürger" zu nennen, aber dennoch geht es auch hier darum, die Differenz zwischen der Konzeptualisierung der Bevölkerung als Kunden einerseits und als Bürger andererseits zu minimieren.

Um zu verstehen, was den öffentlichen Sektor charakterisiert und was es bedeutet, Terminologien und Praktiken des privaten auf den öffentlichen Sektor zu übertragen, muss man sich die unterschiedlichen Konnotationen und Annahmen etwas genauer ansehen, die bei den Begriffen "Klient", "Kunde" oder "Patient" mitschwingen. Es gibt keine allgemein anerkannte Terminologie in diesem Bereich, und unterschiedliche Autoren haben geradezu eine Vorliebe für unterschiedliche Begrifflichkeiten. Ich werde im folgenden den Begriff "Kunde" benutzen, um die zu kennzeichnen, die in einer direkten Beziehung zu einem Dienstleistungsanbieter stehen, und den Begriff "öffentlicher Nutznießer" (public beneficiary), um all jene (einschließlich Kunden) zu kennzeichnen, die von der Verfügbarkeit der entsprechenden Dienstleistungen direkt oder indirekt einen Nutzen haben.

Mit der Übertragung der Symbolik des privaten auf den öffentlichen Sektor wird der Kunde als individueller Empfänger einer spezifischen Dienstleistung konzeptualisiert, der auch woanders hingehen kann, wenn er die angebotene Dienstleistung nicht will. Es wird so getan, als ginge es für ihn nur um den direkten output, als hätte er nichts zu verlieren oder zu gewinnen als das, was direkt getauscht wird. Laut dieser Sichtweise hat der Anbieter dem Kunden gegenüber keinerlei Verantwortung. Er will lediglich seine Verkaufszahlen steigern. Diese Sichtweise trifft zwar nicht einmal für den privaten Sektor wirklich zu, aber dennoch liegt sie dem Ansatz und der Rhetorik der Kundenorientierung zu Grunde, die in den vergangenen Jahren in die öffentlichen Verwaltung Einzug gehalten haben.

So sind z.B. öffentliche Nutznießer eben nicht nur Individuen, sondern manchmal auch Gruppen von Individuen oder Interessenvertreter, die aus den angebotenen Dienstleistungen Nutzen ziehen, auch wenn sie diese nicht direkt empfangen. Auch kann z.B. die Allgemeinheit Nutznießer eines erfolgreichen Stadtentwicklungsprogramms in einem sozialen Brennpunkt sein, weil dies das soziale Kapital erhöht und gemeinsame Lernprozesse ermöglicht. So profitieren auch die, die nicht direkt in das Programm einbezogen sind. Öffentliche Nutznießer können nicht immer einfach woanders hingehen (ein Steuerzahler kann z.B. nicht einfach seine Beziehung zum Finanzamt aufkündigen). Auch wenn der direkte output eines Programms wichtig für ihn ist, interessiert er sich vielleicht auch für allgemeine, manchmal nebulöse Wirkungen (outcomes) wie Gleichheit oder Gerechtigkeit in der Gesellschaft. Es ist sogar wahrscheinlicher, dass öffentliche Nutznießer von Vorgängen betroffen sind, an denen sie nicht direkt beteiligt sind, z.B. diejenigen, deren Gesundheitsversorgung unter der Schließung eines Krankenhauses am Ort zu leiden hat, welche auf die Entscheidung anderer Bewohner zurückgeht, die Gegend zu verlassen. Der öffentliche Sektor produziert also outputs und outcomes mit hohen externen' Kosten. Das gilt insbesondere für Menschen oder Gruppen, für die Dienstleistungsanbieter eine praktische und ihre staatlichen Auftraggeber eine politische Verantwortung haben.

Während der private Sektor nach eigenem Selbstverständnis Kunden hat, kann der öffentliche Sektor Kunden und öffentliche Nutznießer haben, wobei das Mischungsverhältnis je nach Behörde variiert. Die Kunden des Department of Administrative Services - Politiker und hohe Beamte, denen seine Dienstwagenflotte zur Verfügung steht - ähneln wahrscheinlich eher den Kunden des privaten Sektors. Eine Umweltschutzbehörde wird wichtige öffentliche Nutznießer haben, denen sie dadurch dient, dass sie Geschäftsbeziehungen mit Individuen und Unternehmen pflegt, die sie als ihre Kunden ansieht. Gesundheitsdienste haben fast immer sowohl Kunden als auch öffentliche Nutznießer. Die meisten von uns sind beides.

Erfolgreiches Management im öffentlichen Sektor muss sich für die Bedürfnisse von Kunden und öffentlichen Nutznießern verantwortlich zeigen. Das Management im privaten Sektor hingegen muss sich nur um Profite und Marktanteile kümmern. Ersteres ist also generell komplexer und schwieriger als letzteres, weil an eine komplexere Konstellation von Kunden bzw. Interessen gebunden. Wenn es immer mehr in die Richtung des Managements im privaten Sektor gedrängt wird, wird es im Laufe der Zeit den direkten Kunden mehr Aufmerksamkeit schenken und die diversen öffentlichen Nutznießer vernachlässigen. So blockieren Kontrakte allmählich die alltägliche Bearbeitung öffentlicher Aufgaben in den Organisationen, die in der Käufer/Anbieter-Trennung gefangen sind.

Wie aktiv und machtvoll können Kunden und öffentliche Nutznießer sein? Der Begriff "Klient" suggeriert einen relativ passiven Empfänger von Experten-Dienstleistungen. Der "Klient" ist nicht in der Lage, dem Wert der empfangenen Dienstleistung zu bemessen. Der "Kunde" hingegen transportiert eine eher aktive Konnotation: Kunden können Wahlen treffen und in einem echten Markt von einem Anbieter weggehen, mit dem sie nicht zufrieden sind. Keiner der beiden Begriffe erfaßt allerdings vollständig die Komplexität des Kunden oder Klienten im öffentlichen Sektor. Dieser kann durchaus zur Einschätzung einer Dienstleistung in der Lage sein, würde diese aber eher durch politische Einflußnahme zum Ausdruck bringen (z.B. Wahlverhalten - voice) als durch den Wechsel des Anbieters ("Abstimmung mit den Füßen" - exit). Zwei Aspekte sind in diesem Zusammenhang zentral: die Doppelrolle der Kunden/öffentlichen Nutznießer und die Einbeziehung der Kunden in Evaluationsprozesse.

In Politikfeldern wie den Sozialen Diensten werden Kunden und öffentlichen Nutznießern wichtige öffentliche Dienstleistungen von entsprechenden Anbietern (z.B. Arbeitsvermittlungsstellen) angeboten. Da die Anbieter zunehmend gezwungen sind, um öffentliche Zuwendungen und Kunden miteinander zu konkurrieren, haben Bürger in den beiden Varianten voice und exit einige, wenn auch begrenzte Macht. Sie können - wenn auch eventuell nur unter Schwierigkeiten - die Arbeitsvermittlung wechseln, wenn sie mit den bisherigen Dienstleistungen unzufrieden sind. Sie können ihre Stimme benutzen, um das gesamte System der Arbeitsvermittlung inklusive Förderbedingungen zu beeinflussen. Interessant ist nun, dass das Wechseln zwischen den Anbietern für den Einzelnen zwar von maximalem Nutzen sein, gleichzeitig aber dazu führen kann, dass der Gesamtnutzen für den öffentlichen Sektor sinkt. Das ist z.B. der Fall, wenn Krankenhäuser ihr Angebot in denjenigen medizinischen Bereichen, in denen die Patienten deutlich machen, dass sie bei Bedarf willens und in der Lage sind, das Krankenhaus zu wechseln (z.B. Geburtshilfe), verbessern, indem sie aus den Bereichen, in denen die Patienten weniger Neigung oder Fähigkeit zum Krankenhauswechsel zeigen, Mittel abziehen (z.B. Notfall- und Intensivmedizin). Im Ergebnis kann die Gesamtverteilung der Mittel zwischen den medizinischen Bereichen so aussehen, dass sie nicht den Interessen und Bedürfnissen aller potentiellen Patienten dient.

Bei der Evaluierung ihrer Produkte lassen Dienstleistungsanbieter die Kunden zwar zu Wort kommen, aber in einem eng abgesteckten Rahmen. Als vorherrschende Evaluationsverfahren nennt Wadsworth (1991) in Anlehnung an die jeweils benutzte Methode empirischer Sozialforschung die audit review evaluation und die open inquiry evaluation. Im ersten Verfahren stehen die Ziele bereits fest, die Kunden werden lediglich als Lieferanten entsprechender Messdaten gesehen. Im zweiten Verfahren werden die Ziele als veränderbar und als gemeinsam mit dem Kunden zu definierende gesehen. Während aus einer manageriellen Perspektive beide Ansätze ihre jeweils spezifischen Vor- und Nachteile haben mögen, muss aus einer politischen Perspektive der open inquiry evaluation der Vorzug gegeben werden, da sie die Beteiligten eher in die Lage versetzt, die Ziele von Programmen mit zu bestimmen. Der managerielle Blick auf den öffentlichen Sektor mit seinem Interesse an Effizienz und Vorhersagbarkeit drängt Dienstleistungsanbieter aber leider eher dazu, die audit review evaluation anzuwenden und damit die Menschen, denen sie angeblich dienen, ausschließlich als Kunden zu betrachten.

Hinter der Käufer/Anbieter-Trennung steht die Annahme, manches, was Regierungsorganisationen früher getan haben, gehöre nicht zu den Kernaufgaben des Staates, sondern in den Aufgabenbereich nichtstaatlicher Organisationen, die es besser oder effizienter machen könnten. Was genau Kernaufgaben sind und was nicht, ist momentan sehr strittig. Im Verweis auf die Privatisierung von Gefängnissen und Sicherheitsdiensten behaupten Viele, das Justizsystem gehöre (zumindest teilweise) nicht dazu. Das contracting out einiger Aufgaben des Australian National Audit Office (vgl. Coleman 1993) und einiger gesetzgeberischer Aufgaben lässt es so aussehen, als gehörten nicht alle regulierenden, kontrollierenden und legislativen Dienste dazu. Wenn diese Funktionen, die bislang unwidersprochen als Basis für das den Staat definierende legitime Gewaltmonopol (vgl. Weber 1946) galten, nicht länger zu seinen Kernaufgaben zählen, dann steht auch ein Fragezeichen über den Wohlfahrtsaufgaben des Staates bis hin zu den Gesundheitsaufgaben, die der Lebenserhaltung und der Verbesserung der Lebensqualität dienen.

Die beiden Pole dieser Debatte bilden die soziopolitische und die liberalökonomische Perspektive. Die soziopolitische Position sieht den Staat in der Verantwortung für eine lebenswerte Gesellschaft; er soll die Ökonomie, die soziale Entwicklung und die Rechtsprechung regeln und stärken: Alles, was dazu beiträgt, wird als Kernaufgabe des Staates angesehen. Die ökonomischen Liberalen finden hingegen, der Staat sollte nur die notwendigsten Vorkehrungen dafür treffen, dass Individuen und Gruppen in der Lage sind, ihre eigenen ökonomischen und sozialen Ziele zu verfolgen: Die einzige Kernaufgabe des Staates ist es deshalb, dafür zu sorgen, dass die Systeme und Prozesse funktionieren, die eben dieser zentralen Anforderung genügen. Die erste Position stimmt der Sichtweise auf Menschen als öffentliche Nutznießer und Kunden zu, während die zweite die Sichtweise auf Menschen als Kunden unterstützt. Diese Positionen stehen zur Debatte und sind schwer umkämpft. Was als Kernaufgabe des Staates gesehen wird und was nicht, ist letztlich eine politische Entscheidung, auch wenn sie als ausschließlich rationale Entscheidung im Hinblick auf Effizienz oder soziale Gerechtigkeit präsentiert wird. Das Bild vom Staat als Dienstleistungsindustrie droht das Ergebnis dieser Debatte allerdings vorwegzunehmen - oder zumindest Einschätzungen zu produzieren, die die Durchsetzung einer minimalistischen Version von den Kernaufgaben des Staates und eines minimalistischen Verständnisses von öffentlicher Wohlfahrt sowie vom wesentlich politischen Charakter des Regierens und von Bürgerrechten begünstigen.

Zur Politik der Sozialen Dienste

Managerielle und kontraktuelle Ansätze in den Sozialen Diensten sind vor allem vom Streben nach Effizienz motiviert. Deshalb beinhalten sie oft Veränderungen bzw. Beschneidungen in den erbrachten Dienstleistungen. Auch die Tatsache, dass Nichtregierungsorganisationen (NGO) inzwischen gegeneinander um Kontrakte mit dem Staat über die Erbringung von Dienstleistungen im eigentlich traditionell nichtkommerziellen Bereich der Wohlfahrt konkurrieren, hat dort neue Spannungen und Widersprüche entstehen lassen (vgl. ACOSS 1999). Die Rolle der Professionellen hat sich verändert, sie wird in Frage gestellt und manchmal ernsthaft bedroht (vgl. Exworthy/Halford 1998). Es überrascht daher nicht weiter, dass zunehmende politische Verärgerung Aktivitäten im Gemeinwesen- und Wohlfahrtsbereich hervorbringt (vgl. O'Toole 1999).

Die Folge ist eine deutliche Reduktion des zentralen politischen Vorteils des Käufer/Anbieter-Modells: der Fähigkeit, bestimmte mögliche Themen von der politischen Agenda zu nehmen sowie eng definierte, quantitativ bemessene Gesundheits- und Wohlfahrtsziele mit begrenzten finanziellen Budgets einzukaufen, ohne dafür einen allzu hohen politischen Preis zu zahlen. Entgegen den Absichten der Regierung konnten die Sozialen Dienste auf der Ebene des Gemeinwesens nicht entpolitisiert werden (vgl. Rayner 1997).

Andere Reaktionen nehmen eine umfassenderen Blick ein und versuchen eher, sich mit dem Kontraktualismus zu verbünden, statt sich ihm zu widersetzen. Aus dieser Sicht scheint es innerhalb des Käufer/Anbieter-Modells - so entpolitisiert es auch offensichtlich ist - möglich, Organisationsstrukturen zu entwickeln, die eine komplexe politische Kommunikation wiederherstellen, die Kunden und öffentliche Nutznießern wieder mehr Gewicht und damit mehr Chancen auf eine Stärkung ihrer Rolle als Bürger gibt.

In Großbritannien setzen sich einige NGO wie bspw. die National Autistic Society im Konkurrenzkampf um die Kontrakte durchaus erfolgreich gegen Privatunternehmen durch, und zwar eher auf Grund von Qualität und öffentlichem Interesse als wegen niedriger Preise. Üblicherweise bieten Privatunternehmen hochgradig manageriell strukturierte Systeme an, die eine eher instrumentelle Orientierung am Kunden und Qualitätssicherungsverfahren auf der Basis des ISO 9000-Standard zur Entscheidungs- und Prozesskontrolle enthalten. Die Arbeit der NGO hingegen basiert auf einer engen Zusammenarbeit zwischen der Dienstleistungsorganisation, ihren Mitarbeitern und ihren Kunden und öffentlichen Nutznießern. Darüber hinaus kommen bei ihnen Qualitätssicherungsverfahren zur Anwendung, die stärker an Partizipation und Wertvorstellungen orientiert sind als der ISO 9000. So sitzen in den Aufsichtsgremien von NGO häufig Klientenvertreter, die dafür sorgen, dass die Arbeit an der Erbringung von Dienstleistungen ihre emanzipatorischen Aufgaben nicht in den Hintergrund treten lässt. Qualitätssicherungsmaßnahmen decken bei ihnen ein breites Spektrum ab: kontrolliert wird alles von der Gleichbehandlung des Personals bei Einstellung, Beförderung und Ausbildung bis hin zur Mitarbeiter- und Klientenzufriedenheit (vgl. National Autistic Society 1993). Tatsächlich bieten NGO eine Arbeit an, die das breite öffentliche Interesse mit der Erbringung kundenorientierter Dienstleistungen unter einen Hut bringt.

Die Käufer/Anbieter-Trennung wurde stets von ihren Verteidigern und Kritikern gleichermaßen als Modell beschrieben, das technisch effiziente managerielle Dienstleistungssysteme hervorbringt, die das Regierungshandeln und die Maßnahmenplanung entpolitisieren. Der skizzierte Ansatz der NGO legt hingegen nahe, dass es möglich sein könnte, ein komplexes soziopolitisches Dienstleistungsmodell für den öffentlichen Sektor zu entwickeln, das innerhalb des Käufer/Anbieter-Modells funktionieren und dessen negative Effekte aufheben oder zumindest verringern könnte. Organisationen wie diese NGO können im Wettbewerb nur dann gewinnen, wenn sie die Dienstleistungen bzw., weiter gefasst, den Nutzen erbringen, die Kunden und öffentliche Nutznießer haben wollen und wofür sie zu bezahlen bereit sind. Das erfordert, dass diese Kunden und öffentlichen Nutznießer ihre Rolle als Bürger aktiv nutzen und die Regierung - also den Käufer - davon überzeugen, dass das entsprechende Angebot genau das ist, was sie wollen, und dass sie bereit sind, mit ihren Steuern dafür zu bezahlen. Die Doppelfunktion der NGO als Dienstleister und emanzipatorische Organisation kann so ihre eigene Arbeit absichern: In ihrer emanzipatorischen Rolle kann sie die Bürger dazu ermutigen, die Stimme zu erheben und der Regierung ihren Willen nachdrücklich kundzutun; Ergebnis dieser Willensbekundung kann wiederum die Vergabe von Dienstleistungsverträgen an die NGO sein. Und mit dieser Dynamik kann vielleicht die Tendenz zur Entpolitisierung des öffentlichen Sektors durch das Käufer/Anbieter-Modell durchbrochen werden.

Schlussfolgerung

Dem Käufer/Anbieter-Modell wird von seinen Befürwortern bescheinigt, es reduziere Kosten - in den neunziger Jahren ein primäres Ziel von Regierungspolitik. Ob das stimmt, muss bezweifelt werden. So lautet das Ergebnis einer ausführlichen Literaturstudie, Wettbewerb und contracting out hätten in den Sozialen Diensten ökonomisch keine signifikante Verbesserung gebracht (vgl. Hodge 1999). Vor allem seit immer mehr Dienste, die früher von den staatlichen Dienstleistungsorganisationen einfach nebenher mitgeleistet wurden (z.B. das Risikomanagement), zu eigenen Vertragsposten werden, ist es durchaus möglich, dass sich herausstellen wird, dass die Privatunternehmen sogar weniger effizient sind als gut strukturierte staatliche Organisationen. Eine Verschiebung des Fokus von Kosten und Effizienz auf Qualität und Wirksamkeit von Maßnahmen könnte die konstatierten Unterschiede zwischen staatlichen und privaten Trägern verschwimmen lassen.

Wenn immer mehr Menschen der menschlichen, sozialen und politischen Verluste gewahr werden, mit denen der angebliche Spareffekt der Transformation der Regierung in ein Dienstleistungssystem, in dem alles nur noch mittels contracting out funktioniert, erkauft ist, dann kann ihnen durchaus bewusst werden, dass dieser Preis für die Kostendämpfung viel zu hoch ist. Dieses Bewusstsein wird es aber zumindest in den angloamerikanischen Ländern nicht leicht haben gegen die konzertierten Medienkampagnen der großen politischen Parteien und der privaten Interessengruppen, die sich von der Verwandlung der Sozialen Dienste in eine expandierende Privatindustrie Gewinne versprechen. Wir wissen noch nicht, wie gut die soziopolitischen Modelle partizipativer Steuerung, die einige NGO-Dienstleistungsanbieter gerade erproben, auf die Dauer funktionieren werden. Aber sie sind auf jeden Fall wichtig, weil sie für die Möglichkeiten stehen, eben dieses Bewusstsein zu stärken und eine aktive Rolle für die Bürger zu entwickeln, um damit die Begrenzungen des Kontraktmodells transzendieren zu können. Die größte Aufgabe der Politik der Sozialen Dienste ist es, nach derartigen gesellschaftlichen Möglichkeiten pro-aktiv zu suchen.

Übersetzung: Dietlinde Gipser, Timm Kunstreich, Michael Lindenberg, Ilse Schwenkel-Omar, Heiner Zillmer

* Eine frühere Version dieses Aufsatzes erschien unter dem Titel Contracting out in the Health Sector in Hancock 1999.

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