Pfad: Startseite > Hefte > 2002 > Heft 83: Zur globalen Regulierung des Bild...

 
Startseite Suchen Druckansicht imagemap Schrift verkleinern Schrift vergrößern

Heft 83: Zur globalen Regulierung des Bildungssystems

2002 | Inhalt | Editorial | Abstracts | Leseprobe

Titelseite Heft 83
  • März 2002
  • 128 Seiten
  • EUR 11,00 / SFr 19,80
  • ISBN 3-89370-365-9

Rainer Fischbach
Die Wissensgesellschaft
Maßstab oder Phantom der Bildungsdebatte?

Der Begriff "Wissensgesellschaft" fungiert heute als weithin unhinterfragter Maßstab vieler Debatten, auch derjenigen über Bildung. Wesentliche Momente dieses Begriffs wie Wissensexplosion und wissensbasierte Produktion würden weitreichende Implikationen für das Bildungssystem bergen, den Charakter der von diesem zu liefernden Qualifikationen ebenso verändern wie die Weise ihrer Produktion. Der Aufsatz stellt diese vermeintlichen Selbstverständlichkeiten in Frage, um der Bildungsdebatte eine Perspektive jenseits jener Reformprogrammatik offen zu halten, die Wissensproduktion nur noch als Warenproduktion zu fassen vermag. Er prüft, wie weit der Begriff "Wissensgesellschaft" tatsächlich trägt und ob man von den Erfahrungen und Interessen, die sich in ihm spiegeln, nicht besser in alternativer begrifflicher Form Rechenschaft zu geben vermag.

Thomas Fritz, Christof Scherrer
GATS 2000 - Handelspolitische Weichenstellungen für die Bildung

Bis 2005 sollen im Rahmen des Dienstleistungsabkommen GATS der Welthandelsorganisation (WTO) weitere Liberalisierungen der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen vereinbart werden. Bereits 1994 hat sich die Europäische Union gegenüber den anderen WTO-Mitgliedsstaaten verpflichtet, in den meisten Bildungsbereichen freien Marktzugang und gleiche Behandlung zu gewährleisten. Im Wesentlichen hat sie sich damals nur vorbehalten, Bildung bzw. Bildungsträger nach eigenem Gutdünken zu subventionieren. Diese Ausnahme und damit die Zukunft des öffentlichen Bildungswesens dürfte in den kommenden Verhandlungen auf dem Spiel stehen.

Nico Hirtt
Im Schatten der Unternehmerlobby
Die Bildungspolitik der Europäischen Kommission

Unter dem Einfluss mächtiger Unternehmerlobbys wie des European Round Table of Industrialists interessiert sich die Europäische Kommission immer stärker für den Bildungsbereich und versucht dort ihre Sichtweisen durchzusetzen. Dabei geht es nicht nur um die Harmonisierung der Bildungssysteme, sondern vor allem auch um deren Anpassung an die Anforderungen der Märkte: Die Beschäftigten sollen lernen, stets flexibel auf veränderte Produktionsumgebungen zu reagieren; die Konsumenten sollen an technologische Innovationen herangeführt werden, die heute die Triebkräfte zentraler Märkte sind; die Sphären des Unterrichts und des Wissens sollen der Konkurrenz und der Eroberung durch private Investoren geöffnet werden. Diese tatsächlichen Kraftlinien der aktuellen Bildungspolitik verbergen sich häufig hinter den angeblichen Bildungszielen von 'Staatsbürgerschaft' und 'Chancengleichheit'.

Jürgen Klausenitzer
Altes und Neues
Anmerkungen zur Diskussion über die gegenwärtige Restrukturierung des deutschen Bildungswesens

Im Kontext eines von Weltbank, OECD, WTO und EU organisierten globalen Paradigmenwechsels wird in der Bundesrepublik Deutschland eine Restrukturierung des Bildungswesens als Teil der allgemeinen Öffentlichen Dienste vorgenommen, die auf größere Kosteneffizienz, Senkung der Staatsquote und Rückführung der Bildungsexpansion der siebziger Jahre hin orientiert ist. Aus den verschiedenen Maßnahmen der deutschen Bundesländer zur Realisierung dieses Ziels lassen sich idealtypisch zwei Varianten identifizieren: eine konservative, die versucht, mit verschärfter Selektion das dreigliedrige Schulwesen zu stärken, Eliten zu fördern und damit die Legitimität des Bildungswesens zu stärken; und eine modernisierende, die mit Hilfe von Markt und Management versucht, kosteneffizientere Steuerungsformen durchzusetzen. Vorbereitet wird diese Restrukturierung durch die Delegitimierung des alten staatsbürokratischen Schulwesens und durch die Organisierung eines neuen common sense über das, was in Bildungsinstitutionen öffentlich als angemessen erachtet wird. Chancengleichheit und Autonomie werden durch öffentliche Diskurse neu bestimmt. Der Staat bleibt als organisierendes Element der Reproduktion der Gesellschaft weitgehend außerhalb der Analyse. Die beschriebenen Entwicklungen legen die Frage nahe, wie weit das gegenwärtig organisierte "institutional renewal" (OECD) das Verhältnis von Schule und Gesellschaft grundsätzlich neu bestimmt. Leseprobe

Torsten Bultmann
Hochschulunternehmen auf dem Wissensmarkt
Tendenzen und Widersprüche der aktuellen Hochschulreform

Man verfehlt die Quintessenz der aktuellen Hochschulpolitik vollständig, wenn man sie lediglich als Sparpolitik oder routinemäßige technokratische Modernisierung des bestehenden Zustandes thematisiert. Was wir aktuell unter politischen Leitbegriffen wie Markt, Wettbewerb und Effizienz erleben, könnte vielmehr das Anfangsstadium der Herausbildung eines historisch neuartigen Hochschulmodells sein, in dem das Verhältnis von Gesellschaft, Staat und Wissen, seiner Erzeugung und gesellschaftlichen Umsetzung, grundsätzlich neu geregelt wird. Der Artikel versucht die Konturen dieses Umbaus kritisch zu rekonstruieren und damit einer Politisierung in anderer Richtung zugänglich zu machen.

Richard Hatcher
Privatisierung und Widerstand im Schulsystem in England

Die Privatisierung in Englands Schulsystem nimmt vor allem zwei unterschiedliche Formen an: der Bau und die Sanierung von Schulgebäuden durch Privatunternehmen im Rahmen unterschiedlicher Modelle der Private Finance Initiative (PFI) einerseits; die teilweise oder vollständige Vergabe der Aufgaben der kommunalen Schulbehörden (LEAs) an profitorientierte Unternehmen des Bildungsbereichs andererseits. Der vorliegende Beitrag unternimmt eine Schilderung mehrerer Fälle beider Privatisierungsformen, wobei das Augenmerk auf die lokalen Widerstände gerichtet ist, die sich ihnen entgegenstellen. Im Mittelpunkt steht hierbei das Interesse an der Frage, welche Faktoren für den Erfolg oder Misserfolg entsprechender Anti-Privatisierungskampagnen den Ausschlag geben können.

Achim Trube
Zur Frage des volkswirtschaftlichen Nutzens eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors
Legitimation, Funktion und Probleme

Vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um den aktivierenden Sozialstaat und der nach wie vor andauernden Massen- wie Langzeitarbeitslosigkeit befasst sich die Abhandlung mit dem Sinn und dem Nutzen eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors. Die Untersuchungen ergeben, dass sich die Strategie, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren, sowohl volkswirtschaftlich als auch gesamtfiskalisch und nicht zuletzt auch aus der Perspektive der Gemeinwesenökonomie monetär lohnt und zudem erheblichen sozialen Nutzen schafft. Bei dieser professionell angelegten Beschäftigungsförderung geht es jedoch nicht um Zwang oder Pflichtarbeit, wie sie heute z.B. vielfach von der Workfare-Programmatik (Fördern und Fordern) angemahnt wird. Statt dessen geht es vielmehr um die passgenaue Organisation gesellschaftlich sinnvoller Arbeit im Gemeinwesen, die durch ihre Nutzenstiftung zum Empowerment der bisher Ausgegrenzten viel nachhaltiger beizutragen in der Lage ist als negative Sanktionierungen der wieder einmal neu entdeckten 'Faulenzer'.

2002 | Inhalt | Editorial | Abstracts | Leseprobe