Arbeit, Technik und Bildung
I. Einleitung
Die folgenden Überlegungen stellen den Versuch dar, einige Probleme, die in den letzten Jahren in unterschiedlichen Diskursen zu den Gegenständen Arbeit, Technologie und Bildung sowie Demokratie und Gesellschaftstheorie geführt wurden, zu diskutieren (vgl. etwa Brandt 1986; Elkana 1986; Weingart 1989; Sünker 1992). Sie bewegen sich im Kontext von klassischen - und immer noch aktuellen - Vorstellungen aus der Tradition des westlichen Marxismus und der mit diesem verbundenen 'Praxisphilosophie' (s. dazu Anderson 1976; Bottomore 1981; Sünker 1989).
Vor diesem Hintergrund führt die Frage nach Vermittlungen zwischen Arbeitsbeziehungen, sozialer Ungleichheit und deren Reproduktion zu einer kritischen Gesellschaftstheorie, die insbesondere eine Analyse neuerer Entwicklungen der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft einschließt. Dies führt im weiteren zu der Frage nach den Konstitutionsbedingungen von Individualität - und darin eingeschlossen nach der potentiellen Subjektivität der Mitglieder einer Gesellschaft -, und damit zu einer Problemstellung, die seit ihren Anfängen in der alteuropäischen Tradition zentral für Gesellschaftstheorie und Sozialphilosophie war. Innerhalb dieses Gegenstandsbereiches beginnen Analysen und Reflexionen mit der Frage nach Form und Gehalt der Beziehungen zwischen den Mitgliedern einer bestimmten Gesellschaft, ihrem Bezug auf äußere und auf ihre eigene innere Natur. Dies bedeutet, daß in die Vergesellschaftungsanalyse auch das Verhältnis von Bildung und Technik eingelassen ist. (1)
Mit diesem Ansatz stehen Fragen nach gesellschaftlicher Ordnung, Macht und Herrschaft auf der Tagesordnung. Insbesondere werden Verknüpfungen zwischen Formen von Herrschaft und Ungleichheit in politischen, ökonomischen und kulturellen Gesellschaftssphären thematisiert (Waters 1989). Um Umrisse dieser Diskussion zu bestimmen, halte ich es für erhellend, Teile der ersten zwei Abschnitte der Untersuchung "Democracy and Capitalism" von Bowles und Gintis heranzuziehen. Dieser Ansatz zeigt sehr deutlich wesentliche Leitmotive, analytische Schritte und die Perspektive der hier zu diskutierenden Probleme:
"This work is animated by the commitment to the progressive extension of people's capacity to govern their personal lives and social histories. Making good this commitment, we will argue, requires establishing a democratic social order and eliminating the central institutions of the capitalist economy. (...) But we will maintain that no capitalist society today may reasonably be called democratic in the straightforward sense of securing personal liberty and rendering the exercise of power socially accountable... Yet we will show that capitalism and democracy are not complementary systems. Rather they are sharply contrasting rules regulating both the process of human development and the historical evolution of whole societies: the one is characterized by the preeminence of economic privilege based on property rights, the other insists on the priority of liberty and democratic accountability based on the exercise of personal rights." (Bowles/Gintis 1987, 3; vgl. Hegedüs 1981; Hobsbawn 1984)
Vor diesem analytischen und gesellschaftspolitischen Hintergrund möchte ich zwei Interessen herausstellen, deren Verbindung ein wesentliches Problem in gegenwärtigen Diskussionen der Gesellschaftstheorie darstellt. In einer neueren Publikation mit dem Titel "Sozialphilosophie in der industriellen Arbeit" ist hervorgehoben und bedauert worden, daß es keine Verknüpfung zwischen den Forschungsergebnissen der Industriesoziologie und weitergehenden Diskussionen aus der Gesellschaftstheorie - und man kann ergänzen aus der Bildungstheorie - gebe (König et al. 1990, VIII-XI).
Im Unterschied zu früheren Zeiten (und Debatten) existiert keine Verknüpfung zwischen der Bedeutung von Arbeit und Konzeptualisierungen von Gesellschaft. Arbeit, die das organisierende Zentrum von Gesellschaft und gesellschaftlichem Leben sein sollte, zumindest wenn man frühbürgerlichen Theorien - und nicht den Reden von der 'Krise der Arbeitsgesellschaft' - folgt, wird mehr und mehr zu einem bloßen Anhängsel von Gesellschaftstheorie und folgt damit ihrer Definition als "abstrakte Arbeit". Karl Marx hat nun in seiner Kritik der politischen Ökonomie in der Tat aufgewiesen, daß innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft Arbeit bloß ein Moment des gesellschaftlichen Produktions- und Reproduktionsprozesses ist.
Diese Problemstellung schließt die Frage nach der Bedeutung von Arbeit für Konstitutionsprozesse von Subjektivität wie auch für Zusammenhänge von Politik und Kultur ein. Um es genauer zu formulieren: Die Bedeutung von Arbeit für Menschen und für die menschliche Gattung muß mit der Entwicklung der gesellschaftlichen Organisation von Arbeit, die heute wesentlich der scheinbaren Logik von Technologisierungsprozessen folgt, vermittelt werden - wobei das Problem der gesellschaftlichen Organisation von Arbeit gegenwärtig vor allem eine Analyse der Konsequenzen der "kapitalistischen Formenbestimmtheit des Arbeitsprozesses" meint.
Nun zu meinem zweiten Interesse, der Beschäftigung mit einer politischen Theorie des Kapitalismus: Auch dies ist verbunden mit der Frage nach der Beziehung zwischen gesellschaftlichen Produktions- und Reproduktionsprozessen. Im internationalen Kontext haben französische und britische Autoren für eine Rückbesinnung auf politische und ökonomische Theorien plädiert und darüber hinaus die Abwesenheit marxistischer Theorie im mainstream der Sozialwissenschaften bedauert (Thompson 1983; Bowles/Gintis 1987; Anderson 1993; Wallerstein 1995). Dieser Rückbezug ist nötig und sinnvoll, weil damit die Relevanz der politischen Dimensionen in der Kritik kapitalistischer Ökonomie und Gesellschaft unterstrichen wird - im übrigen ist dies eine genuine Idee von Marx und die meisten seiner Kritiker (selbst Bowles/Gintis) irren, wenn sie einen Mangel an politischer Theorie in seinen Arbeiten zu konstatieren meinen.
Bowles und Gintis betonen in ihrer Studie "Democracy and Capitalism", daß Eigentumsrechte und Demokratie miteinander konfligieren, weil Eigentumsrechte sich gegenüber demokratischen Bürgerrechten durchsetzen (Bowles/Gintis 1987, XI). Sie haben in einer sehr überzeugenden Weise nachgewiesen, daß ihre Analyse sich mit der Struktur kapitalistischer Ökonomie selbst beschäftigt. Daher ist es möglich, allen bloß formalen Definitionen von Politik zu entkommen und die politischen Dimensionen der wohl bekannten Kritik an der kapitalistischen pyramidenförmigen Verteilung von ökonomischen Belohnungen und sozialem Status zu betonen (ebd., XII).
In toto beinhalten diese Überlegungen die Aufgabe oder auch Herausforderung, Ökonomie und Politik zu vermitteln (Thompson 1983, 239) sowie eine politische Theorie der Ökonomie zu entwickeln (Bowles/Gintis 1990, 202). In einer konkretisierenden Herangehensweise, mit Bezug auf Industriesoziologie und Arbeitsbegriff, hat Baethge die Aufgabe formuliert, daß es heute notwendig sei, "grundlegende Kategorien der gesellschaftstheoretischen Analyse von Arbeit wieder aufzugreifen und den gesamten Komplex Entfremdung, Ideologie, Heteronomie neu zu durchdenken und wohl auch empirisch besser zu fundieren, als dies bis heute selbst in der neueren industriesoziologischen Forschung geschehen ist" (Baethge 1991, 271).
II. Entfremdung
Seit der Entdeckung der Marxschen ökonomisch-philosophischen Manuskripte von 1844 (Pariser Manuskripte) im Jahre 1932 gilt der Entfremdungsbegriff als eine wesentliche grundlagentheoretische Kategorie zur Analyse gesellschaftlicher Prozesse in ihren Konsequenzen für die Lebensformen der Mitglieder der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaftsformation (vgl. Meszaros 1973). Da somit Entfremdung ihr Zentrum im Aufweis der spannungsvollen Vermittlung von Individuum und Gesellschaft, von Produktions- und Reproduktionsprozessen hat, erhellen sich hieraus zugleich Probleme und Schwierigkeiten in der Annäherung und Definition des Entfremdungsbegriffes, der gesellschaftlich allgemeine wie auch spezifische Bedeutungen gewinnt. Kann doch der Entfremdungsbegriff als gemeinsamer Nenner eines Prozesses genommen werden, der für alle Bereiche des sozialen und individuellen Lebens bedeutsam ist, obwohl ihm zugleich differente Bedeutungen für die je besonderen Bereiche von sozialem und individuellem Leben zukommen. Vor dem Hintergrund dieser analytischen Orientierung, die zudem durch die Vermittlungsleistung des Entfremdungsbegriffes von und für Ökonomie und Philosophie gestützt wird, ergibt sich die Aufgabe, die Allgemeinheit von Entfremdung aufzuschlüsseln, Stadien und Phasen von Entfremdung, Erscheinungsformen und Segmentierungen - etwa als ökonomische, soziale und politische Entfremdung - sowie die Beziehung zu den Kategorien "Verdinglichung" und "Fetischismus" aufzuzeigen (Marx 1973; Rosner 1974, 439ff.; Lefebvre 1975, 328, 346; Lefebvre 1987, 462-472).
Vor diesem analytischen Hintergrund wird hinsichtlich der Gegenwart die Einschätzung Lefebvres einsichtig, daß die Theorie der nahezu totalen, aber nie als Totalität vollendeten Entfremdung nach wie vor das Gegenstück zur Theorie des totalen Menschen bleibe, des aus der Entfremdung befreiten und durch den Kampf gegen Entfremdung sich realisierenden Menschen (1975, 347). Wesentlich ist vor allem die Einsicht, daß Entfremdung - in der Folge des Totalisierungsprozesses des Kapitalverhältnisses - zur Totalität strebt, ohne sich je vollenden zu können.
Damit stellt sich die Frage nach den Bedingungen und Möglichkeiten der Aufhebung von Entfremdung gerade angesichts einer Situation, die von Lefebvre, dem interessantesten Entfremdungstheoretiker unserer Zeit - lange vor den Beckschen 'Individualisierungsdiagnosen' und seiner Darstellung von deren gesellschaftlichen wie individuellen Folgen (Beck 1986, 205 - 219) - dadurch charakterisiert wird, daß inzwischen das Stadium der Entfremdung zweiten Grades herrsche (Lefebvre 1975, 68, 347), daß insgesamt neue Formen von Entfremdung die Gefahr eines Schwundes des Bewußtseins von Entfremdung überhaupt heraufbeschwörten (a.a.O., 346; Lefebvre 1987, 464).
So bleibt bzw. wird deutlich, daß die Perspektiven einer Überwindung von Entfremdung an gesellschaftliche Praxis und auch an Bewußtseinsleistungen gebunden bleiben, die sich insgesamt mit den - wie wir gerade nach den Erfahrungen in diesem Jahrhundert wissen eben nicht bruchlosen oder linearen - Fortschritten von Zivilisation, Bildung und selbst 'Civil Society' zu verbinden haben (Rosner 1974, 474ff.; Meszaros 1973, 25ff., 226ff.; Lefebvre 1975: 46, 69). (2)
III. Reproduktion
Stellt man sich dem Problem, Entfremdung zu überwinden, und damit einem realen Wechsel in gesellschaftlichen Bedingungen und Umständen, wird es notwendig, die Transformation einer Gesellschaft zu bedenken, die auf bestimmmten Eigentumsrechten aufbaut. Wenn Hegedüs (1981, 111) mit seiner Auffassung Recht hat, Eigentumsverhältnisse bildeten einen Ausgangspunkt für jede tiefgehende Gesellschaftsanalyse, dann ist dies mit der Frage nach der Reproduktion sozialer Ungleichheit, die den Ausdruck gesellschaftlicher Herrschaft vor dem Hintergrund einer klassenstrukturierten Gesellschaft verkörpert, zu verknüpfen. Von daher sind Fragen auf zwei verschiedene Weisen zu stellen:
Einerseits handelt es sich um die Frage, was verantwortlich für die Aufrechterhaltung der herrschenden gesellschaftlichen Ordnung ist, und andererseits um die Frage, was sinnvolle Gründe sein können, um für die Chance einer realen Änderung, d.h. eine emanzipatorische Perspektive, zu argumentieren. Beide Fragen sind ineinandergewoben und vermitteln die Aufgabe, eine politische Theorie zu formulieren sowie die gesellschaftliche Organisation von Arbeit zu analysieren.
Bisher sind bereits einige Implikationen der ersten Aufgabe diskutiert worden, so daß diese jetzt ausgeweitet und in konkretisierter Weise vorangetrieben werden können. Eine Diskussion über Ansätze und Resultate der Forschung zur Reproduktion sozialer Ungleichheit kann drei Dimensionen dieses Prozesses unterscheiden: Reproduktion im Kontext von Ökonomie, von Kultur und von staatlicher Hegemonie (Giroux, 1983).
Der Einsicht zufolge, daß eine Theorie der Produktion in einem eingeschränkten Sinne partiell und daher irreführend ist, insistieren entwickelte Theorien der Reproduktion darauf, daß Reproduktion ein breiterer, umfassenderer Prozeß ist (Connell 1983, 143). Insbesondere Lefebvre und Althusser arbeiten mit der Unterscheidung von Reproduktion der Mittel und Reproduktion der Beziehungen: "And they see this as being mainly accomplished in a realm of everyday life that has in the past seemed marginal to class analysis - for Althusser education; for Lefebvre, urban space" (Connell 1983, 143ff.). Diese Beobachtung kann mit einer kritischen Einschätzung, die Giroux gemacht hat, verbunden werden. Er betont, daß Reproduktionstheoretiker häufig das Problem, wie strukturelle Determinanten ökonomische und kulturelle Ungleichheit befördern, überbetonen und das Problem, in welcher Weise menschliche Handlungsfähigkeit sich der Logik des Kapitals und den darin eingebundenen herrschaftlichen gesellschaftlichen Praktiken anpaßt oder widersteht, unterschätzen (Giroux 1983, 282; vgl. Connell 1983). Handlungsfähigkeit ist ein bildungstheoretisch zu konzeptualisierender Schlüsselbegriff, um die Möglichkeiten einer Transformation struktureller Determinanten und der Überwindung von Klassenverhältnissen zu diskutieren. Der Gebrauch dieses Begriffes geht einher mit der Wiederentdeckung und Wiederinstallierung des Akteurs in den allgemeinen Sozialwissenschaften und in der Sozialgeschichte (s. exemplarisch Touraine 1983; Baldwin 1990).
Auch Connell gibt in seiner scharfen Kritik an den Reproduktionstheorien von Althusser, Bourdieu und Lefebvre zu, daß Lefebvre als einziger aus dieser Reihe dazu in der Lage sei, das Problem des Verhältnisses von Reproduktion und gesellschaftlichem Wandel anzugehen (Connell 1983, 147). Um diese Position zu unterstreichen, ist es notwendig, genauer als Connell dies getan hat, (3) den theoretischen Ansatz von Lefebvre, der ein bedeutendes Mitglied der zweiten Generation aus der Tradition des westlichen Marxismus ist, vorzustellen (vgl. Hess 1988; Sünker 1989).
Lefebvre betont in seiner 'Kritik des Alltagslebens' die Notwendigkeit einer Theorie der Arbeit und ist darüber hinaus daran interessiert, die Rolle der Ökonomie im Prozeß gesellschaftlicher Reproduktion zu thematisieren und zu erforschen (Lefebvre 1972, 266ff.; 1987, 580). Zentral interessiert ihn die "politische Bedeutung" der Kritik der politischen Ökonomie (Lefebvre 1975, 144ff.). Mit Bezug auf die gesellschaftlichen Bedingungen der Gegenwart führt er aus, daß die Kritik des Alltagslebens die Kritik der politischen Ökonomie übergreift (Lefebvre 1989, 604): weil eine Analyse der ökonomischen Basis einer Gesellschaft nur die Erkenntnis des Skelettes dieser Gesellschaft, nicht aber deren reales Funktionieren erlaube (Lefebvre 1987, 574; vgl. Sünker 1989, 57ff.).
Es gibt wenigsten zwei Hauptargumente, um die Bedeutung des Alltagslebens herauszustreichen. Das Alltagsleben enthält den rationellen Kern, das wirkliche Zentrum von Praxis und begründet die Produktion sozialer Beziehungen und sozialer Bedürfnisse. Ergänzend erforscht Lefebvre den historischen Charakter und die historische Bedeutung des Alltagslebens durch eine Aufschlüsselung und Rekonstruktion der historisch-strukturellen Genese differierender Ausformungen des Alltagslebens im Zusammenhang gesellschaftlich, also praktisch vermittelter Bedingungen. Dieser Ansatz ist aber nicht allein in einem rekonstruktiven Sinne von Bedeutung, sondern er ist es auch mit Bezug auf die Frage nach möglichen und/oder notwendigen Veränderungen des Alltagslebens in der Zukunft. Mit dieser Einsicht hängt auch das Forschungsverfahren Lefebvre's zusammen, das seine Theorieentwicklung an die Entwicklung ihres Gegenstandes, also des Alltagslebens, bindet.
Die Einsicht in den polaren und häufig auch mehrdeutigen Charakter des Alltagslebens steht im Zentrum der Erkenntnisse, die mit immer neuen Bestimmungen und Annäherungen zu präzisieren versucht werden. Der kategoriale Oberbegriff für die Beschreibung und Analyse des Alltagslebens ist demzufolge der der "Ambiguität" (Lefebvre 1975, 14), der den Grund abgibt für die Forderung Lefebvre's nach einer Praxis, die in der Art der sokratischen Mäeutik "der Alltäglichkeit zu helfen (hat), eine in ihr anwesend-abwesende Fülle zu erzeugen" (Lefebvre 1972, 31).
Die Formulierung von der "anwesend-abwesenden Fülle" macht deutlich, daß die entscheidende Frage für eine Einschätzung des Alltagslebens innerhalb der historisch-gesellschaftlichen Konditionen die nach befreienden Perspektiven innerhalb dieser Polarität und Mehrdeutigkeit, die immer auch zugleich eine Mehrwertigkeit ist, bleibt. Lefebvre stellt in seiner Darlegung von historisch-gesellschaftlichen Entwicklungsverläufen deutlich heraus, daß sich diese dem Alltagsleben inhärente Polarität nicht immer und überall zugunsten des Pools "Befreiung", des "Projektes des Menschen", ausrichtet. Den Inhalt dieser die Vergesellschaftungsproblematik begleitenden Entwicklungen im Spätkapitalismus, den er als "Bürokratische Gesellschaft des gelenkten Konsums" (1972) definiert, faßt er kategorial mit dem Begriff der "Alltäglichkeit" - als qualitative Differenz zu "Alltagsleben" -, deren Bestimmung es ist, sich in sich selber und eine sie verschleiernde Modernität zu verdoppeln (Lefebvre 1972, 39ff., 164ff.). Die Konsolidierung dieser Alltäglichkeit ist ein Charakteristikum moderner Gesellschaften, die zu ihrer Etablierung der Unterstützung durch eine dreifache Bewegung bedarf: Diese stellt eine Vergesellschaftung in der Form einer "Totalisierung der Gesellschaft" dar, sie beinhaltet bezüglich der Subjektentwicklung die Form "extremer Individualisierung" sowie "Partikularisierung" (Lefebvre 1978, 340). Gesellschaftstheoretisch und gesellschaftspolitisch entscheidend ist es, daß diese Etablierung der "Alltäglichkeit als verallgemeinerte Lebensweise" (Lefebvre 1975, 225) mit einem Prozeß der inneren Kolonisierung einhergeht, der seine Basis einerseits in - heute wesentlich technologisch vermittelten - Zugriffen auf Raum und Zeit und andererseits in Prozessen der Parzellierung, der Zerschneidung von Lebenszusammenhängen findet, so daß diese Lebensweise durch eine Tendenz zu Passivität und Nicht-Partizipation zu kennzeichnen ist (Lefebvre 1972, 86; 1974, l00f.; 1975, 120f., 242; vgl. Sünker 1989, 111-132).
Diesen destruktiven Entwicklungspotentialen gegenüber erwachsen Alternativen aus einer Praxis, die den Widerspruch zwischen den Entfremdungsformen und der gesellschaftlichen Form der "Alterität" aufnimmt und deren Konsequenzen für die Formbestimmtheit gesellschaftlicher Existenz thematisiert: "Wenn die Alterität oder der Bezug zum anderen sich realisiert, nimmt die Entfremdung ab und verliert sich" (Lefebvre 1975, 69). Diese bildungstheoretisch fruchtbare Überlegung ist sowohl auf Konzepte des Verhältnisses zwischen Bildung und Arbeit wie auf die Notwendigkeit einer Reformulierung des Konzepte von "Politik" zu beziehen. Die Bedeutung dieses Konzeptes als "theoretische und praktische Erkenntnis des gesellschaftlichen Lebens in der Civitas" (Lefebvre 1974, 229) soll die Reintegration von Politik, Ökonomie und Kultur auf einem historisch neuen Niveau - als Ausdruck eines neuen Freiheitsgrades - gewährleisten. Die Verteidigung von Subjektivität und das Insistieren auf einen Begriff von Politik, der auf Selbstverwaltung abzielt, bilden die Voraussetzung für eine Kritik an Apathie und Konformismus als Folgen einer Situation, in der an die Stelle von autonomen Tätigkeiten "Haltungen" getreten sind (Lefebvre 1975, 243).
Connell versuchte die Frage, "What exactly is being reproduced", dadurch zu beantworten, daß er die Verknüpfung oder den Widerspruch zwischen Reproduktion und Handlungsfähigkeit als "intelligible succession" charakterisierte (Connell 1983, 146, 149). Folgt man Lefebvre's Ansatz, muß diese Antwort ausgeweitet werden. Die Erkenntnis, daß der Reproduktionsprozeß ein Ergebnis von Strategien ist, die sich innerhalb des Feldes gesellschaftlicher Hegemonie ereignen, muß mit der anderen Erkenntnis vermittelt werden, daß es strukturelle Bedingungen gibt, die Formen von Herrschaft und Ungleichheit in den ökonomischen und politischen Sphären miteinander verknüpfen (vgl. Waters 1989).
Wenn die Frage nach der Etablierung von Herrschaft und die nach der Aufrechterhaltung einer Herrschaftsstruktur durch die Diskussion der Rolle eines "complex society wide web of everyday individual action and compliance" angegangen werden kann sowie durch die Diskussion der Einheit eines gesellschaftlichen Ganzen, innerhalb dessen Gesellschaft als eine reproduzierende und widersprüchliche Totalität präsentiert wird, dann führt dies zu der Erkenntnis, "daß die kapitalistische Ökonomie sich nicht durch sich selbst reproduziert" (Bowles/Gintis 1987, 96, 102ff.).
IV. Gesellschaftliche Organisation von Arbeit und Demokratie
Der Ausgangspunkt aller Debatten über die Bedeutung von Arbeit und Technik ist das Wissen um die Relevanz der Ökonomie für die Prozesse gesellschaftlicher Reproduktion und gesellschaftlichen Wandels. Dies schließt auf der einen Seite unterschiedliche Diskussionen über die Bedeutung von Arbeit und Technologiesierungsprozessen gerade ob ihres Doppelcharakters für die Menschen von heute ein. Was auf dem Spiel steht, ist zunächst die Konzeption von Arbeit, der Status von Arbeit in den gegenwärtigen gesellschaftlichen Entwicklungen (vgl. Offe 1985; Sz611 1988, 1992; Thompson 1983; Baethge 1991; Levin 1990). Wenn Arbeit nicht nur den Stoffwechsel mit der Natur verkörpert, sondern in den gesellschaftlichen Reproduktionsprozeß eingeschlossen ist, dann führt dies andererseits zu der Frage nach der gesellschaftlichen Organisation von Arbeit - und damit zu den Problemen der Formbestimmtheit von Lohnarbeit, Entfremdung, Arbeitszufriedenheit, Lohnarbeitergleichgültigkeit etc. Soweit ich sehe, gibt es zwei Diskussionslinien, die diese Problemstellung engagiert diskutieren. Die erste ist die "labour process debate", innerhalb derer die "Natur" von Arbeit und Technik unter kapitalistischen Bedingungen verhandelt wird. Sie lenkt die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung von Kontrolle, Zustimmung und Widerstand im Rahmen des kapitalistisch bestimmten Arbeitsprozesses - in der Folge von Braverman's klassischer Analyse "Labor and Monopoly Capital" (vgl. Thompson 1983; Burawoy 1978, 1979; Piore/Sabel 1984; Abromeit/Blanke 1987; Türk 1992; Ortmann 1995).
Komplementär zu dieser angelsächsischen Debatte lassen sich die Beiträge aus einer deutschen Diskussion über die Entwicklung des Arbeitsprozesses, die ihren Fokus im Begriff "neue Produktionskonzepte" (Kern/Schumann 1984) haben, betrachten. Der Gegenstand beider Debatten besteht in der Analyse der 'Natur' der Arbeit sowie der darauf bezogenen oder daraus folgenden, immer auch technologisch bestimmten Sozialbeziehungen heute. Die Ergebnisse dieser Debatten sind äußerst widersprüchlich. Die entscheidende Differenz liegt hierbei in der Einschätzung der Resultate betrieblicher Rationalisierungsprozesse in ihren Konsequenzen für die Lohnarbeit: Handelt es sich (nur) um die Substitution des Taylorismus und dessen Kontrolltechniken durch moderne Kontrolltechniken (vgl. Manske 1991; König et al. 1990; Malsch/Seltz 1987; Naschold 1985; Ortmann 1984) oder zeigt diese Entwicklung ein reales Anwachsen des Handlungs- und Gestaltungsraumes der "Produktionsintelligenz" (Kern/Schumann 1984) oder der "Systemregulierer" (Schumann et al. 1990)?
Ich bin - nach dem Studium all dieser kontroversen Beiträge - an der Frage interessiert, was gute Gründe dafür sein könnten zu argumentieren, daß ein emanzipatorischer Wandel notwendig sei und was des weiteren gute Gründe dafür sein könnten, dieses nicht nur für einen Glaubenssatz zu halten, wenn man Arbeit, Technik und Bildungsprozesse historisch-systematisch in ein Verhältnis zueinander setzt. (4)
Bowles und Gintis haben in einer sehr überzeugenden Weise hervorgehoben, daß - und dies ist in meinen Augen die beste Verlängerung der Debatte zu "politics in production" und "politics of production" - Wirtschaftsdemokratie heute auf der Tagesordnung stehe, und dies heiße: "eine profunde demokratische Restrukturierung der gesellschaftlichen Reproduktion von Arbeit" (Bowles/Gintis 1987, 64; vgl. Levin 1990; Széll 1988), denn die kapitalistische Ökonomie "not only fosters the exercise of unaccountable power, it also thwarts those forms of political learning-through-choosing by means of which democratic societies may come to deepen their fundamental political commitments and capacities" (Bowles/Gintis 1987, 90; vgl. Thompson 1983, 238ff.). (5)
Bowles und Gintis plädieren für ein Verständnis ökonomischer Aktivitäten nicht im Sinne von Zielen, sondern als Mittel, die den Interessen menschlicher Entwicklung dienen sollen: "The legitimation of this model - as well as its sense of history - is based not only on accumulation but on learning..." (Bowles/Gintis 1987, 178). Im Kontext menschlicher Entwicklung stellt Bildung (learning) einen Schlüsselbegriff dar, weil dies individuelle und soziale Erfahrungen wie auch emanzipatorische Möglichkeiten, die sich mit der Vorstellung einer Autonomie von Lebenspraxis verbinden, einschließt. In der Gestalt von Bewußtsein ist Bildung zudem der Schlüsselbegriff, wenn für die Möglichkeiten sozialen Wandels argumentiert wird.
In der Folge von Veränderungen im Arbeitsprozeß können neue technische und organisatorische Anforderungen, die an die Ökonomie gestellt werden, die radikale Ausweitung demokratischer Prinzipien in der Ökonomie befördern (Bowles/Gintis 1987, 179). Diese Entwicklung muß allerdings unterstützt werden durch einen Anstieg von Bewußtsein über die Bedingungen des gesellschaftlichen Lebens sowie eine technologische Kompetenz neuer Art, deren Kern in der Kritik technokratischer Herrschaft besteht (vgl. Fischer 1990; Heydorn 1980a, 145ff.). Daher fordern Kern und Schumann (1984) in einer sehr klaren Sprache in ihrer Studie "Das Ende der Arbeitsteilung" erstens eine Verallgemeinerung der neuerdings benötigten Produktionsintelligenz und zweitens eine Politisierung dieses Bedürfnisses. Daß dies historisch nichts Neues ist, darauf verweist Heydorns Einschätzung von Aufklärungspädagogik und Produktionsbildung: "Ein Bildungskonzept ist nur so weit progressiv, als die Kräfte, die es vertreten, zugleich einen direkten politischen Kampf um die Veränderung der Gesellschaft führen. Nur damit werden die Möglichkeiten der Bildung aktualisiert, wird Bildung zu einem bedeutsamen Moment in der Auseinandersetzung. Bildung für sich selbst vermag wenig, sie ist keine List der Vernunft. Der Entwurf der Produktionsbildung enthielt seine befreiende Möglichkeit durch eine selbstbewußte, revolutionsbereite bürgerliche Klasse, die sich zeitweilig dem anhebenden Proletariat verbinden konnte. In dem Augenblick, in dem diese Voraussetzung entfiel, schlug die Produktionsbildung in ihr Gegenteil um, sie stabilisierte die bestehende Herrschaft.
Ohne transzendierende Kategorien, ohne die formale, abstrakte Klammer um das Materiale, ein Koordinatensystem der Erkenntnis, ohne den direkten Kampf wurde die Produktionsbildung zu einem Mittel, die Nase des Menschen wie die eines Schweins an der Erde zu halten" (Heydorn 1980a, 109f.).
Dementsprechend ergibt sich für entwickelte Positionen von Bildungsphilosophie, Sozialwissenschaften und Industriesoziologie zunächst einmal die Unabdingbarkeit der Bewußtseinsbildung, die in ihrer Substanz ein Bewußtsein von Geschichte und Gegenwart enthält, und ihre Begründung darin findet, daß Wissen und Erfahrung den Beginn des Kampfes gegen die vorherrschenden Bedingungen bestimmen. So läßt sich sagen: "Das neue revolutionäre Subjekt, um daß es alleine geht, ist ein wissendes Subjekt" (Heydorn 1979, 334). Bildung als ein Ansatz für die Überwindung von Macht und Herrschaft ist demzufolge eine "Revolution des Bewußtseins" (Heydorn 1979, 337; vgl. Sünker 1989a), nötig gerade angesichts der permanenten "Produktionsrevolutionierung": "Das Verhältnis von Produktions- und Bewußtseinsbildung ist heute dadurch gekennzeichnet, daß die Produktion zu bisher ungekannten Möglichkeiten gelangt ist und das gesellschaftliche Bewußtsein immer weiter zurückbleibt; die Diskrepanz wird tödlich. Die Herstellung menschlicher Handlungsfähigkeit gegenüber der technologischen Revolution ist das vornehmste Problem der Bildung, es schließt die revolutionäre Veränderung der Bedingungen ein. Befreiung des Bewußtseins durch Bildung stellt somit die Frage, wie der menschenzerstörende Bewußtseinsrückstand gegenüber der materiellen Produktion aufgehoben werden kann" (Heydorn 1980a, 164).
Um den Hintergrund dieser Argumentation zu verdeutlichen und um zugleich den Vorwurf idealistischer Spekulationen abzuweisen, ist es sinnvoll, auf die praxisphilosophische Konstellation, innerhalb derer Heydorn sich bewegt und innerhalb derer generell die Möglichkeit der Subjektkonstitution an Bewußtseinsleistungen gebunden wird, hinzuweisen (vgl. Adorno 1966; Bourdieu 1987). Dies schließt ein, daß die Überwindung der Differenz von Erziehung und Bildung wie die zwischen Herrschaft und Freiheit wesentlich auch in der Form einzelner Menschen stattfindet, die an ihrem Bewußtsein und an der 'Welt' arbeiten. Daher kommt nicht nur ergänzend, sondern fundierend dem Niveau der gesellschaftlichen Organisation von Arbeit und Technologie sowie den Formen gesellschaftlicher Beziehungen eine entscheidende Bedeutung zu. Bewußtseinsbildung ist darauf dialektisch bezogen. Eine darin mitgesetzte Gesellschaftspolitik hat es mit der Frage der Überwindung von Entfremdung zu tun, die als Revolutionierung der Arbeit, der Freizeit und der Bedürfnisse gedacht wird, und deren Ziel in der Entwicklung einer radikalen Demokratie besteht (Heydorn 1980, 295). Die Universalität, der übergreifende Charakter dieses Ansatzes liegt für Heydorn in einer Einschätzung der Gegenwart, die sich dadurch auszeichnet, daß Bildung Allgemeinheit gewonnen habe und darauf verweise, "daß die Momente der Bildung ihre klassengeschichtliche Zerrissenheit überwinden, in einer befreiten Gattung universell werden können" (Heydorn 1980, 291; vgl. Baethge 1991, 266ff.; Thompson 1983, 238ff; Sünker, 1992a, 1995). Eingeschlossen in diese Position ist weiterhin die Vorstellung eines radikal geänderten Verhältnisses von Kultur und Ökonomie, d.h. Arbeitsprozeß sowie Allgemeinbildung und Berufsbildung: "Der ökonomische und der ästhetische Entwurf, Imago und Geschichtsprozeß, sind an die Grenze ihrer bisherigen Möglichkeit gelangt; die Bedingung erlaubt, daß sie verwandelt zueinander finden". (Heydorn 1980a, 122; vgl. 168).
Auch wenn es sich bisher erst um eine sich ausweitende Diffusion der neuen Produktionskonzepte und einen noch zögerlichen Wandel der Arbeitsstrukturen auf der Basis einer neuartigen Relationierung von Subjektivität und Technologie handeln mag (Schumann et al. 1990), und wenn es bisher nur eine Idee ist, daß Kapitalisten - in ihrer gesellschaftlichen Funktion - überholt sind (Bowles/Gintis 1987, 213), so bleibt doch die Perspektive: "Democracy can only survive by expanding to cover areas of social life now dominated by prerogatives of capitalist property" (Bowles/Gintis 1987, 211). Diese Perspektive und die sie begleitenden gesellschaftlichen Entwicklungen leiten sich ab aus der Vorstellung, daß die Frage der gesellschaftlichen Organisation von Arbeit in ihrer kapitalistischen Formbestimmtheit heute auf der Tagesordnung steht, weil eine Änderung der Distributionsweise allein hinsichtlich der Demokratie- und Mündigkeitsperspektive nicht ausreichend ist (Bowles/Gintis 1987, 71; vgl. Meszaros 1989, 351 ff.). (6) Darüber hinaus führt dies zu der Aufgabe, die Marxsche Idee der "Assoziation freier Individuen" (vgl. Heller 1981) neu und erneut zu denken sowie dazu, sich der Utopie von Marx zu erinnern, Arbeit als "travail attractiv, Selbstverwirklichung des Individuums" (Marx o.J., 505; vgl. Heydorn 1980a, 165) zu fassen. Bildungspolitisch, bildungspraktisch und bildungstheoretisch bedeutet dies, an der Vorstellung der Bildung aller nicht nur festzuhalten, sondern diese einzufordern; denn heute ist klar, "daß die Mündigkeit nur noch gemeinsam mit allen oder überhaupt nicht zu erreichen ist" (Heydorn 1980a, 162; vgl. 102f.; Sünker et al. 1994).
Anmerkungen
1. Zur Vergesellschaftungsanalyse s. die Überlegung von Euler (1994, 28): "Im Unterschied zur klassischen Bildungsproblematik sieht sich die problemorientierte interdisziplinäre Arbeit aber einem erhöhten Vergesellschaftungsgrad gegenüber, der in technologischer Gestalt lebensbestimmend ist" (s. auch Adorno 1993, 79-92).
2. Daß die Entfremdungsproblematik in ihrer Substanz von Marx angemessen formuliert worden und nach wie vor aktuell ist, zeigt ein Verweis auf Überlegungen aus dem Kontext modernster französischer Sozialwissenschaft: "Ein Bewußtsein, daß keine Ahnung davon hat, daß es das, was es erkennt, selbst hervorbringt, und deshalb gar nicht wissen will, daß der tiefinnerste Reiz seines Bezugsobjekts, nämlich dessen Charisma, lediglich das Produkt unzähliger Kreditübertragungen ist, mit denen die Subjekte dem Objekt Kräfte zuschreiben, denen sie sich dann unterwerfen. Die spezifische Wirksamkeit der Wühlarbeit liegt gerade darin, daß sie durch Bewußtmachung die Denkkategorien veränderen kann, die zur Orientierung der individuellen und kollektiven Praktiken beitragen, und besonders die Kategorien der Wahrnehmung und Beurteilung der Verteilungsstruktur" (Bourdieu 1987, 257).
3. Connells Perspektive scheint metaphorischer zu sein als die von Lefebvre: Für ihn ist Befreiung "eine Woge in den Strukturen des Alltagslebens" (Connell 1983, 161).
4. Mit Bezug auf Fragen der Zeitdiagnose möchte ich auf zwei Überlegungen verweisen:
a) "A l'horizon de la modernité se lève un astre étrange: après la production des choses, c'est la production des etres humains eux-memes qui passe au stade industriel" (Bertaux 1992, 35);
b) "Die Sozialtechniken und die Gesellungsformen des Menschen, welche das Gesicht der Herrschaftskultur bestimmten, haben in der gegenwärtigen Phase der geschichtlichen Entwicklung ihre Funktion als Ordnungsfaktoren weitgehend eingebüßt. Der organisierende Prozeß der herrschaftsstrukturellen Sozialtechniken beginnt in einen desorganisierenden Prozeß umzuschlagen, in welchem eben jene Faktoren, die bisher der Erhaltung der Ordnung dienten, zu Faktoren der Unordnung und der Zerstörung werden. Umgekehrt wird deutlich, daß die Entfaltung der durch gewohnheitsmäßige unbewußte Repression bisher weitgehend 'unterentwickelten' freien Kommunikationsfähigkeit im weitesten Sinne des Wortes als jenes noch kaum erkannte Kulturziel der heute lebenden Generation anzusehen ist, von dessen weitgehender konkreter Realisation die Überlebenschancen der Menschheit in der nächsten Zukunft möglicherweise abhängen werden" (Kilian 1971, 273f.).
5. In diesem Kontext ist es sinnvoll, auf zwei Überlegungen, die miteinander verbunden sind, zu verweisen:
a) auf die Überwachungskosten, die sich aus dem kapitalistischen Kommando über den Arbeitsprozeß ergeben (Bowles/Gintis 1987, 78, XIII; Thompson 1983, 151; Levin 1990, 165);
b) auf "das Problem, die Leute zur Arbeit zu bringen" (Bowles/Gintis 1983, 207); hinzuzufügen ist das damit verknüpfte Problem einer arbeitszentrierten Verbindung zwischen Sozialpolitik und Sozialarbeit (vgl. Gorz 1989; Sünker 1992).
6. Bowles/Gintis diskutieren ihre Kritik am Distributionsansatz innerhalb einer Analyse des Rechtsdiskurses. Ihnen zufolge läßt sich sagen: "the equality of all before the law is also a privilege of the wealthy to exploit the dispossessed"; und "In short, the discourse of rights is fraught with internal tensions due to its genesis in social conflict and the consequently contradictory forms it is obliged to assume in social life. This contradictory character explains both its emancipatory potential and its seemingly limitless capacity to legitimate social inequality and undemocratic arrangements" (Bowles/Gintis 1987, 174 f.).
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