Begründung und Konsequenz

Was heißt Singularität der Shoah?
Abstract

Der öffentliche Diskurs über die "Singularität der Shoah" ist Gegenstand des Beitrags von Urs Lindner. Er interveniert damit in die aktuelle Erinnerungskultur mit ihren wissenschaftlichen Verkürzungen und politischen Verzerrungen. Die "Einzigartigkeit, Präzedenzlosigkeit, Beispiellosigkeit etc." nationalsozialistisch-rassistischer Ausrottungspolitik wird vom Autor in den Mittelpunkt des Artikels gestellt und mit der Frage verbunden, ob die vielbemühte Singularitätsthese möglicherweise die Praxis einer "inklusiven Erinnerungskultur" verbaut und zudem niemals in Frage gestellt werden dürfe. Ein komplexes Thema im unübersichtlichen wissenschaftlichen Diskurs wird damit angegangen, zugleich ein Beitrag zur politischen Horizonterweiterung vorgelegt. Die These von der Singularität der Ermordung der europäischen Jüdinnen und Juden im Namen des 'deutschen Volkes' zielt somit im Horizont des Kolonialismus-Diskurses (u.a. deutscher Verbrechen im heutigen Namibia) und "postmigrantischer Gesellschaft" auf die diskursive Differenz von "Begründung und Konsequenz" und dessen spezifischen Sichtweisen. Wer sich der Auseinandersetzung widersetze, sich der Kritik verweigere, so der Autor, versiegele die Erinnerungskultur gegen den wissenschaftlich notwendigen Diskurs. Deshalb differenziert Lindner im Lichte der aktuellen Holocaustforschung und "Imperiengeschichte", in drei Etappen, den 'Gegensatz zwischen universalistischem und partikularistischen Shoah-Gedenken'. In den Blick genommen werden somit die "Urteilsstruktur" der "Singularitätsthese", diverse Versionen dieser These sowie das universalistisch argumentierende Narrativ "Nie wieder!". Normative Konsequenzen lassen sich damit ebenso diskutieren wie eine Öffnung des Diskurses im Kontext bundesdeutscher Erinnerungskultur und der Verantwortung des Gemeinwesens für die gesamte 'deutsche' Geschichte einschließlich des historischen Vergleichs mit anderen Katastrophen in der Historie der Menschheit.

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