Profession und Neues Management in den Sozialen Diensten
Die Neustrukturierung durch Märkte, Wettbewerb und Kontraktmodelle
Wie auch in anderen angloamerikanischen Ländern gab es in Australien eine starke Tendenz, wettbewerbliche und kontraktuelle Ansätze für die Neustrukturierung der öffentlichen Verwaltung zu nutzen (vgl. Department of Administrative Services 1995; Stewart 1996). In diesem Beitrag sollen die Veränderungen der Grundsätze, der Organisation, der Ziele und der Einstellungen erörtert werden, die dadurch in den öffentlichen Sektor hineingetragen wurden und die sich in der Politik der Sozialen Dienste als Teil dieses Prozesses vorrangig offenbarten. Zunächst soll der Nutzen beschrieben werden, den der Markt und das Vertragsmodell für die Neustrukturierung der Organisationen haben, die mit der öffentlichen Verwaltung befasst sind. Danach wird untersucht, welche Wirkung die Neustrukturierung auf das öffentliche Interesse und die öffentliche Verantwortung hat und auf das Verständnis vom Menschen als Bürger. Schließlich wird aufgezeigt, wie die Sozialpolitik die negativen Folgen des vorherrschenden Kontraktmodells durch aktives Engagement überwinden könnte.
Die Idee des Vertrages basiert auf der Trennung der Regierung als Käufer von Gütern und Dienstleistungen und der öffentlichen oder privaten Organisationen, die diese zur Verfügung stellen (Trennung von Käufer und Anbieter). Kleine staatliche Verwaltungsabteilungen kaufen Dienstleistungen von Organisationen, die nicht dem öffentlichen Sektor angehören und per Vertrag zu Anbietern werden. In Reinventing Government popularisierten Osborne und Gaebler (1992) die Trennung von Käufer und Anbieter mit der einleuchtenden, wenn auch vereinfachenden Formel steuern, nicht rudern (in der deutschsprachigen Debatte findet sich die Käufer/Anbieter-Trennung folgerichtig unter dem Schlagwort Neue Steuerung wieder, d.Ü.). Tatsächlich entsteht ein Markt oder ein Pseudo-Markt, auf dem potentielle Anbieter um Verträge konkurrieren, in denen genau festgelegt wird, zu welchen Bedingungen welche Güter oder Dienstleistungen erbracht werden sollen.
Am konsequentesten und radikalsten wurde das Vertragssystem zwischen 1992 und 1999 im australischen Staat Victoria umgesetzt. In Form einer Fallstudie wurde dies recht ausführlich in Alford/O'Neill (1994) beschrieben. Der Victoria Commission of Audit (1993b: 2) legte drei Grundsätze für die Neustrukturierung der Verwaltung nieder. Erstens: Das Ministerium, das für Politikentwicklung, Regulation und die Vergabe von Verträgen über die Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen verantwortlich war, sollte von der Organisation, die diese Güter und Dienstleistungen anbietet, eindeutig abgegrenzt sein. Zweitens: Die Verwaltungen sollten darauf abzielen, klar definierte Ergebnisse (outputs) zu kaufen, anstatt inputs wie Löhne, Gehälter und Betriebskosten zu leisten. Das Ministerium sollte die Verantwortung für die Ergebnisse übernehmen und mit den Anbietern Verträge über spezifische outputs abschließen, um zu gewährleisten, dass diese Ergebnisse auch erzielt werden. Und drittens: Die Regierung sollte nach Möglichkeit dafür Sorge tragen, dass die Konkurrenz zwischen den Anbietern gefördert wird.
Alford et al. (1994: 5f.) haben für Victoria vier Arten von Verträgen identifiziert: Verträge zwischen Unternehmern und Angestellten; zwischen der Regierung als Käufer und einer staatlichen Organisation als Anbieter; zwischen der Regierung und einem Privatunternehmen oder einer Freiwilligenorganisation; schließlich Verträge zwischen dem individuellen Verbraucher und dem Privatunternehmen, wie sie durch Privatisierung entstanden sind.
Die Motivationen für die Käufer/Anbieter-Trennung sind unterschiedlich. Ein Argument lautet, sie stärke die individuellen Rechte sowie die Verantwortlichkeit der Regierung (Harden 1992: xi), aber auch die Responsivität auf die Bedürfnisse der Klienten oder Kunden (vgl. Osborne/Gaebler 1992). In den Augen neoliberaler Kommentatoren mindert die Trennung außerdem die Gefahr, dass die staatliche Verwaltung sich von ihren Klienten dazu hinreißen lässt, mit ihnen zusammen mehr und teurere Dienste zu fordern (vgl. Dunleavy/O'Leary 1987). Für die Praxis spielt vor allem die Einschätzung eine Rolle, die Kosten könnten anhand einer durch die Errichtung von Märkten oder Quasi-Märkten verbesserten Effizienz gesenkt werden. Sowohl die Victoria Commission of Audit (1993b: 81ff.) als auch die National Commission of Audit der australischen Regierung (1996: 66ff.) sehen in den unterschiedlichen Varianten des contracting out die Möglichkeit zu wesentlichen Einsparungen bei den Gesundheits- und Sozialausgaben: Der Wettbewerb werde gestärkt, die Preisgestaltung werde in allen möglichen Bereichen verbessert, angefangen vom contracting out der Reinigungsdienste in Krankenhäusern und Pflegeheimen bis hin zum größeren Verhandlungsspielraum über die Arbeitsbedingungen in der Kinder- und Altenpflege.
Das damit skizzierte neue Managementmodell für den öffentlichen Sektor berührt eine Reihe von Fragen in den Bereichen Organisation und Management sowie öffentliches Interesse und öffentliche Verantwortung. Ihnen allen liegt aber letztlich die Frage nach der Beziehung zwischen Bürgern und Staat zu Grunde: Sollte diese den Charakter einer effizienten Versorgung von Kunden mit Dienstleistungen haben oder denjenigen von bürgerschaftlicher Teilhabe? Wie diese Frage beantwortet wird, das hat gravierende Auswirkungen auf die Professionellen in den Sozialen Diensten, denen die Vermittlerrolle zwischen dem Staat und seinen Bürgern bzw. Kunden zufällt.
Fragen der Organisation und des Managements
Das Modell der Neuen Steuerung im öffentlichen Sektor gleicht dem Franchise-Modell im privaten Sektor. Der Vertragsnehmer (Anbieter) wird üblicherweise aufgefordert, eine standardisierte Dienstleistung an vorgegebene Kategorien von Klienten zu liefern und dabei eng definierte Maßstäbe zu Vorgehensweise, Buchführung und Mittelverwendung einzuhalten. Die Verträge werden von kleinen Verwaltungsabteilungen der Regierung (Käufer) formuliert, bezahlt und kontrolliert; diese legen auch die Maßstäbe fest und setzen sie mit der Macht eines Marktmonopolisten durch. In einigen Bereichen ist es relativ leicht, Organisationen zu Kontraktorganisationen zu machen, wie beispielsweise bei Krankenhäusern, die zwar getrennt vom Regierungshandeln operieren, aber über relativ klare Budgetzuweisungen und organisatorische Strukturen mit der Regierung verbunden sind. Fall- und kriterienbezogene Mischfinanzierung und Wettbewerb mit anderen Anbietern sind bevorzugte Instrumente, Krankenhäuser in Kontraktorganisationen zu transformieren. Wenn das erst einmal geschafft ist, bleiben nur noch organisatorisch einfache (höchstens politisch heikle) Schritte übrig, bis das Krankenhaus oder einige seiner Funktionsbereiche privatisiert sind.
Das Käufer/Anbieter-Modell wird im privaten und im öffentlichen Sektor oft mit dem Argument befürwortet, es lasse die Manager managen und übertrage den Einrichtungen vor Ort, die besser auf die Bedürfnisse der Klientel reagieren könnten, die Verantwortung. Es gibt jedoch massive Probleme. Erstens gilt die Aufmerksamkeit der Regierung wie der Anbieter spezifischen und greifbaren, in Kontrakten definierbaren outputs für identifizierbare Klienten. Damit werden weniger greifbare Ergebnisse für nur indirekt Betroffene oder weniger deutlich eingrenzbare Gruppen außer Acht gelassen, wie beispielsweise für solche Familien und Gemeinschaften, die die eigentlichen Klienten unterstützen. Zweitens basiert die Neue Steuerung auf einem Vorgehen, das ich als Zentralisierung strategischer Kontrolle bei gleichzeitiger Abgabe taktischer Verantwortung beschrieben habe (vgl. Muetzelfeldt 1992). Als Ergebnis mögen sich Manager - bzw. Dienstleistungsunternehmen mit Verträgen mit der Regierung - für die Erbringung von Dienstleistungen innerhalb von Managementrahmen und Ressourcenzwängen verantwortlich finden, die sie nicht beeinflussen können und die sie als Behinderung ihrer Fähigkeit, den erforderlichen output zu erbringen, wahrnehmen mögen. Privat praktizierende Psychiater bspw. können nur für die ersten fünfzig psychiatrischen Beratungen im Jahr mit der vollen Kostenerstattung rechnen. Ähnliches gilt für die Verwaltungen von Altenheimen. In jedem Fall hat der Dienstleister wenig oder gar keine Kontrolle über die Bedingungen und Ressourcen, aber er ist dafür verantwortlich, Dienstleistungen in ihrem Rahmen zu erbringen.
Die Kontraktmodelle implizieren strenge Trennungen zwischen der Regierung als Käufer und den Dienstleistungsunternehmen als Anbieter sowie zwischen diesen Unternehmen und den Klienten. Die drei Parteien - Regierung, Dienstleister, Klienten - verbindet der vertragsmäßige Austausch von Verhalten oder Ressourcen. Zum Beispiel kann die Regierung von Institutionen wie Krankenhäusern oder Wohlfahrtseinrichtungen spezifizierte Gesundheits- oder Fürsorgeleistungen kaufen, die auf einen bestimmten Klienten zugeschnitten sind. Auf der anderen Seite erbringen die Institutionen Dienstleistungen, für die sie entweder vereinbartes konformes Verhalten (wie Enthaltung von Alkohol) oder Gebühren erhalten.
Dies steht in Kontrast zu den bürokratischen Modellen der konventionellen großen Organisationen, über die die Regierung traditionellerweise handelte. Danach wurden die Mittel den Krankenhäusern oder Wohlfahrtseinrichtungen auf der Basis historischer Verteilungsmuster und aktuellen Bedarfs zugewiesen; letzteren festzustellen, war Aufgabe der professionellen Gesundheits- und Sozialarbeiter, die sich mit Patienten und Klienten befassten. Die neue vertragliche Trennung soll vermeiden, dass Regierungsinstitutionen 'von ihren Klienten in Beschlag genommen werden', dass sie ihre möglicherweise geringen oder ineffizienten Leistungen hinter Klientenvertretern verstecken, die zu diesen in einem komplizenhaften oder abhängigen Verhältnis stehen. Doch der Nachteil ist, dass Gesundheits- und Sozialarbeiter gezwungen sind, ihre professionellen Entscheidungen darüber, wie sie mit individuellen Klienten umgehen, auf das Kriterium zu beschränken, wie die erforderlichen Budgetgrenzen und Leistungsprofile eingehalten werden können. Außerdem wird der Austausch von Informationen, das gemeinsame Lernen und der Raum für Neues innerhalb breiterer - weniger klar definierter - Partnerschaftsarrangements zwischen Regierung, Institutionen und Klienten beschnitten (vgl. Considine 1988).
Kontraktuelle Dienstleistungssysteme werfen eine Reihe von neuen Fragen über den Charakter und das Leistungsspektrum öffentlicher Dienste auf.
- Was sind staatliche Kernaufgaben bzw. Aufgaben des Gemeinwohls, deren Gewährleistung ein Dienstleistungssystem sicherstellen muss?
- Schließen diese Aufgaben solche für eine breite Population ein (bspw. die Erreichung einer möglichst niedrigen Kindersterblichkeitsrate) und relativ wenig greifbare Folgen für die Gemeinwesen als Ganze (allgemein gültige Lebensqualitätsstandards oder Vertrauen in das Wohlfahrtssystem)?
- Wie, wenn überhaupt, können diese basalen Anforderungen in die Dienstleistungsverträge eingeschrieben werden, wenn Verträge im allgemeinen spezifische und greifbare outputs für direkte und eindeutig identifizierbare Klientengruppen formulieren, um den Kategorien der üblichen Untersuchungen der Klientenzufriedenheit zu genügen?
- Welche Politikentwicklungs- oder Dienstleistungsaufgaben und Verantwortlichkeiten müssen zentral kontrolliert werden, wenn sie dem öffentlichen Interesse dienen sollen, und welche können mittels contracting out besser wahrgenommen werden?
- Welche Informationen zu Management und Leistung eines Anbieters braucht die Regierung, um beurteilen zu können, ob sie die von ihm gekauften Leistungen auch erhält? Kann sie darauf vertrauen, diese Informationen verlässlich zu erhalten?
- Können Vertragssysteme so entworfen werden, dass Dienstleistungsunternehmen ermutigt werden, ihre Qualifikationsbasis zu erweitern, innovatives Verhalten zu lernen und Informationen über Klientenbedürfnisse und -erwartungen an den Vertragspartner rückzumelden, damit zukünftige Leistungsvereinbarungen den Bedürfnissen und Fähigkeiten aller Parteien im Sinne einer Partnerschaft besser gerecht werden?
- Kann eine Kommunikation zwischen Dienstleistungsunternehmen, Klienten und anderen Interessengruppen zu Stande gebracht werden, die gemeinsame Problemidentifikationen, Problemlösungen und Lernprozesse ermöglicht?
Fragen des öffentlichen Interesses und der öffentlichen Verantwortung
Kritiker des Kontraktsystems argumentieren, dass öffentliche Interessen, allgemeine Werte und die Verantwortung der Öffentlichkeit ernsthaft in Frage gestellt werden, wenn öffentliche Dienstleistungen von Organisationen erbracht werden, die in einem reinen Vertragsverhältnis zur öffentlichen Hand stehen. Sie betonen die gegenüber dem privaten Management besonderen Anforderungen an ein öffentliches Management und argumentieren, dass diese nicht erfüllt werden können, wenn Methoden aus dem privaten Sektor zur Anwendung kommen (vgl. Alford/O'Neill 1994; Pollitt 1993; Stretton/Orchard 1994).
So listet zum Beispiel Pollitt (1993) eine Reihe von Schlüsselanforderungen an die öffentliche Verwaltung auf. Dazu vergleicht er allgemeine Werte, in denen sich die öffentliche Verwaltung vom privaten Management unterscheidet. Er hebt hervor, dass managementorientierte Techniken wie Budgetierung oder Rationalisierung von Dienstleistungen im öffentlichen Sektor auf der Beurteilung der Bedürfnisse beruhen sollten, die ihrerseits das Ergebnis eines politischen Aushandlungs- und Schlichtungsprozesses ist. Die Profitmaximierung im Rahmen eines marktorientierten Prozesses sollte dagegen nicht im Vordergrund stehen. Pollitt (1933: 151) argumentiert:
Verantwortlichkeit gegenüber der Öffentlichkeit geht über den bloßen Rechenschaftsbericht hinaus. Der Manager im öffentlichen Sektor muss es schaffen, sich in vieler Hinsicht und auf unterschiedlichen Ebenen verantwortlich zu zeigen. Vorsicht und Korrektheit dürfen den Willen zum Experiment und die Responsibilität gegenüber öffentlichen Bedürfnissen nicht beeinträchtigen.
Befürworter des contracting out (vgl. etwa Victorian Commission of Audit 1993a) weisen diese Einschätzung zurück. Sie argumentieren, die öffentlichen Interessen würden durch kleinere und effizientere Verwaltungen, die ihre Fach- und Budgetverantwortung betonen, besser bedient und gestärkt. Dies sei vor allem deshalb möglich, weil sie auf Wettbewerb basierte kontraktuelle Arrangements zulassen. Diese Sichtweise unterstellt, das öffentliche Interesse sei nichts anderes als die bloße Summe von Einzelinteressen derjenigen Personen