
Hast Du mal 'nen Markt? - Wohlfahrtsverbände als Quasi-Marktakteure
Schwerpunkt
In diesem Beitrag vertrete ich die Position, dass die Parole mehr Markt tatsächlich mehr Staat zur Folge hat. Jedoch verschleiert die Marktförmigkeit des Wettbewerbs die gestärkte staatliche Steuerungsmacht mit scheinbaren Marktprozessen - und mit dieser Verschleierung verschwindet zugleich die politische Verantwortung der Freien Wohlfahrtsverbände. Aus der Gestaltungsfreiheit der Subsidiarität wird so ein Unterordnungsverhältnis unter einen starken Staat. Es formt sich eine Konfliktdynamik zwischen einer Gemeinwohl - oder Bedarfsorientierung einerseits und einer Gewinnorientierung in der sozialen Dienstleistungsproduktion andererseits. Die Wohlfahrtsverbände können langfristig aber nur überleben, wenn sie sich dagegen stellen, indem sie politische Verantwortung für die Gestaltung des Wettbewerbs wie für die Gesellschaft insgesamt wahrnehmen. Darum müssen sich die Wohlfahrtsverbände als Bewegungsorganisationen begreifen und dürfen sich nicht auf die politisch zuerkannte Rolle eines Anbieters sozialer Dienstleistungen verengen lassen.
Die Ökonomisierung der sozialen Dienste hat die frühere Vorrangstellung der Träger der freien Wohlfahrtspflege eingeschränkt und eine Wettbewerbssituation zwischen gemeinnützigen wie gewinnorientierten Anbietern geschaffen. Eingeleitet wurde diese Entwicklung von den nationalen Gesetzgebern selbst, das europäische Gemeinschaftsrecht - zuletzt vor allem in Gestalt der umstrittenen Dienstleistungsrichtlinie - wirkt hier lediglich flankierend. Sinn und Zweck der Vermarktlichung sozialer Dienste ist auch bei den Wohlfahrtsverbänden umstritten. Fragwürdig ist die Entwicklung spätestens dann, wenn es nicht mehr darum geht, effizientere und effektivere Strukturen zu schaffen, sondern lediglich die Staatshaushalte auf Kosten der Qualität sozialer Dienste zu sanieren. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Ökonomisierung auch der Leistungsempfänger erfolgt: Betroffenen, die keine eigenen Mittel aufbringen können, wird künftig möglicherweise nur noch eine Grundversorgung gewährt, wohingegen zahlungskräftige Nachfrager höherwertige Leistungen kaufen können. Damit aber schlägt sich die im Bereich Einkommen und Soziale Sicherung bereits deutlich abzeichnende soziale Polarisierung nun auch verstärkt in gerade dem Sektor nieder, der eigentlich negative soziale Folgen von Marktprozessen auffangen soll. Die Ökonomisierungsdebatte darf daher nicht verdecken, dass es sich hierbei zugleich um eine Facette in der Diskussion um die Verteilung in unserer Gesellschaft bzw. in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union handelt.
In der Auseinandersetzung mit der Transformation des Sozialen geraten die Beschäftigungsbedingungen der Professionellen bei den Trägern der Freien Wohlfahrtspflege zunehmend in den Blick. Hierzu liefert der Beitrag Erkenntnisse aus einer aktuellen Studie zur Arbeiterwohlfahrt. Er behandelt die Frage, welches Managementregime mit dem Wandel vom Verband zum Unternehmen hervortritt, wie Reorganisationsprozesse das Produktions- und Geschlechterverhältnis tangieren und typische Subjektivierungsweisen Sozialer Arbeit berühren.
Gegenstand dieses Beitrags sind nicht nur die mit der Bezeichnung Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege gemeinten Verbände, sondern Freie Träger in der Sozialarbeit sowie der Kinder- und Jugendhilfe im Allgemeinen. Dabei soll den Fragen nachgegangen werden, wie sich die seit den 90er Jahren immer stärker durchgesetzte Praxis der Ökonomisierung in der sozialen Arbeit auf das Selbstverständnis der Freien Träger, ihr Innenleben und ihr politisches Agieren auswirkt. Der Beitrag erhebt nicht den Anspruch, alle Aspekte dieser Fragen zu beleuchten oder einer wissenschaftlichen Analyse. Er ist aus der Perspektive eines Verbandsmitarbeiters und -mitglieds geschrieben, der die Entwicklung bei verschiedenen Organisationen seit fast 20 Jahren aus der Perspektive der Zentralen miterlebt hat und sich ihnen in kritischer Solidarität verbunden fühlt.
Zur Einstimmung drei Beispiele: Die Diakonie Neuendettelsau, mit 6.300 Mitarbeitenden eines der größten Sozial- und Gesundheitsunternehmen in Deutschland, hat ein Forschungsinstitut gegründet, das den Einsatz innovativer Technologien im Sozial- und Gesundheitsbereich in der Praxis erforscht sowie ethisch und wirtschaftlich bewertet. Das Forschungsinstitut wird Teil einer im Aufbau befindlichen Universität. [...] . Zweites Beispiel: Theologie und Ökonomie. Ein Beitrag zu einem diakonierelevanten Diskurs. Drittes Beispiel: Erfolgreich aus der Krise - zukunftsfähige Konzepte im Management mit Controlling. Das erste Beispiel ist ein Textauszug aus einer überregional geschalteten Stellenausschreibung (Die Zeit Nr. 41: 2009), das zweite ist der Titel einer 2006 publizierten Habilitationsschrift (Haas 2006), der dritte Beleg ist das Rahmenthema des 11. DGCS Congress 2010 (www.dgcs.de/veranstaltungen/congress/congress-text.htm 2010). Die Überschriften sind herausgegriffen aus unzähligen Headlines und Stichworten zu neueren Entwicklungen im Sozialsektor, der sich immer deutlicher abhebt und abgrenzt von einem vormaligen Verständnis scheinbar selbstloser Hilfeleistung. Die Beispiele markieren zudem einen Paradigmenwechsel im Professionalisierungsprozess sozialer Arbeit, der im akademischen Diskurs in weiten Bereichen noch immer nur zögerlich angenommen wird. Was ist geschehen? Denn Konzepte zur Organisation und Steuerung sozialer Einrichtungen, präferierte ordnungspolitische Optionen bei der Ausgestaltung und Implementierung von sozialer Infrastruktur, die hierfür als relevant angesehenen Professionen, Fertigkeiten und Fähigkeiten sind ja keineswegs neu. Nur beispielhaft erinnere ich mit dem Stichwort Ambulatorium an ein während der Weimarer Republik praktiziertes und heftig bekämpftes sozialpolitisches Konzept der öffentlichen Gesundheitsversorgung , das zu seiner Realisierung ein spezifisches meso- und mikrostrukturelles Setting sowie die Vernetzung unterschiedlicher Professionen erforderte (WSI 1981). Und mit dem 1955 (sic!) erstmals erschienenen und 35 Jahre später überarbeiteten Leitfaden zur wirtschaftlichen Führung diakonischer Einrichtungen und Werke (Diakonisches Werk der EKG 1993) will ich auf ein ebenfalls schon älteres Konzept verweisen, mit dem jeweiligen Anforderungen einer wirtschaftlichen Steuerung einerseits und sozialen Hilfeleistung andererseits gleichermaßen entsprochen werden sollte.
Geht es heute um die soziale Frage, liegt der Ruf nach der Zivilgesellschaft nicht fern. Konfrontiert mit Desintegrationstendenzen im Gemeinwesen, verweisen tonangebende gesellschaftliche Kreise regelmäßig auf die (Selbst-)Heilungskräfte des vorstaatlichen Raums bzw. die Potenziale des sog. zivilgesellschaftlichen Engagements. Dort wo der - ansonsten hoch gepriesene - Markt nicht weiterhilft, sollen es die Bürger selbst richten, gewissermaßen nach Feierabend. Wie es scheint, haben die Finanzmarktkrise und die damit einhergehende Renaissance interventionsstaatlicher Programme diesem Diskurs wenig anhaben können - vielmehr lautet das Motto bei Staat und Kommunen, angesichts tief klaffender Haushaltslöcher, gerade heute: Aus der Not in die Tugend (des Bürgerengagements) (Die ZEIT 1.7.2010). Aber worum geht es eigentlich, wenn in diesem Kontext von Zivilgesellschaft gesprochen wird?
Forum
Samstagnachmittag, bei Starbucks in der Zürcher Bahnhofstraße: Der mit Hilfe der Schweizer Internetplattform Purplemoon rekrutierte Marco (23), der in einer Touristengegend eine Ausbildung im Gastgewerbe absolviert gibt bei laufender Tonaufzeichnung Auskunft über sein Coming Out und über seine Erfahrungen als junger Schwuler in Familie, Schule, Ausbildung und Freundeskreis: Ausgehend von der Frage, nach den frühesten Erinnerungen, die im Zusammenhang mit seiner gleichgeschlechtlichen sexuellen Orientierung stehen, berichtet Marco über die inneren Konflikte auf dem Weg seines Coming Out, über die Reaktionen von Mutter, Vater und Stiefvater, über erste über das Internet geknüpfte Kontakte und gelangt schließlich - ungefragt - zu jenen Erfahrungen, die man unter dem Begriff der Diskriminierung subsumieren könnte. Solche Diskriminierungserfahrungen hat Marco zur Genüge gemacht - etwa im Kontext seiner früheren Schule, in der er geoutet wurde, weil er von Mitschülern, die nur vorgeblich schwul im Internet unterwegs waren, erkannt worden ist oder im Rahmen seiner Ausbildung, wo es erst kurz vor dem Interviewtermin zu Beleidigungen gekommen ist. Kommt es zu solchen verbalen Angriffen, so geht Marco verbal schnell in die Offensive, denn wie er selbst sagt: Man lernt, sich zu wehren. Eine offensive Form der Verteidigung, die - wie im Falle der Diskriminierungserfahrungen am Ausbildungsplatz auf den Instanzenweg geführt hat, die aber in anderen Fällen durchaus auch schon die Androhung von Gewalt - Pass' auf, was du sagst, sonst trete ich dir in deinen jungfräulichen Arsch - führen kann...
Rezensionen
Editorial
Die Sozialen Dienste sind am Markt angekommen. Das ist mittlerweile ein Allgemeinplatz. Wir sprechen aber von einem uneinheitlichen Vorgang. So lässt sich sagen, dass der seit Beginn der 90er Jahre sich vollziehende neoliberale gesellschaftliche Umbau und die dadurch hervorgebrachte hegemoniale Wirkung des Marktmodells die sozialen Dienstleistungsregime wie die großen Wohlfahrtsverbände und die in ihnen organisierten Träger mit gewaltiger Kraft ergriffen haben. Ein neoliberaler Markt kann das nach wie vor nicht sein, und das behautet auch niemand. Spätestens seit Einführung der Neuen Steuerung wird den Sozialen Diensten durch die Schaffung eines Quasi-Marktes und die Übernahme marktpreissimulierender Kosten-Nutzen - Kalküle bei der Bereitstellung ihrer Dienstleistungen ein betriebswirtschaftlicher Ordnungs- und Organisationsrahmen vorgegeben.
Doch ob Markt oder Quasi-Markt: die gravierenden Verschiebungen und Veränderungen sowohl hinsichtlich des bislang legitimierten gesellschaftlichen Status der Wohlfahrtsverbände als auch in bezug auf ihr gesamtes organisatorisches Handeln sind steter Gegenstand von Praxis und Betrachtung.
Fest scheint uns zu stehen: Aufgrund der hegemonialen Dominanz betriebswirtschaftlicher Prinzipien und der Logik der vermeintlich objektiven Marktzwänge wird die traditionelle soziale Integrationsleistung der Sozialen Dienste nun weniger benötigt - der Staat drängt die Freien Wohlfahrtsverbände und ihre Träger als sozialpolitische Gestalter zurück. Gleichzeitig erfolgt über den Quasi-Markt eine stärkere Ausrichtung der Verbände auf die Allokationseffizienz-Funktion - um den Preis des Überlebens müssen sie als Quasi-Marktakteure handeln.
Dabei gerät den Wohlfahrtsverbänden ihr eigentliches Thema der sozialpolitischen Gestaltungskraft mehr und mehr aus dem Blick:
Wenn immer mehr ihrer Organisationsbereiche sich wettbewerbsstrategisch verhalten, dann verschiebt sich ihr sozialpolitisches und advokatorisches Credo an den Rand und taugt allenfalls noch für eine moralisch aufgeladene Werbebotschaft. Gleichwohl insistieren die Wohlfahrtsverbände nach wie vor und gerade auch im Kontext der aktuellen Sozial-Spar-Programme auf ihrer traditionellen dreifachen Funktion als Dienstleister, als Anwälte und als Solidaritätsstifter Eine lautstarke und verbandsübergreifende Debatte darüber, ob dieses Selbstverständnis überhaupt erhalten bleiben kann und wie auf dem Hintergrund der sozialpolitischen Veränderungen eine Reformulierung geschehen könnte, findet jedoch (noch) nicht statt.
Das vorliegende Heft widmet sich dieser Debatte aus der Perspektive folgender Themenstränge: Zu einen gilt es, die Widersprüche zwischen dem Gestaltungsanspruch der Freien Wohlfahrtsverbände und der staatlicher Definitionsmacht zu benennen.
Zweitens sind der Prozess und die spezifische Ausgestaltung der Ökonomisierung des Sozialen in den vergangenen fünfzehn Jahren in den Blick zu nehmen.
Und drittens soll vor diesem Hintergrund eine Analyse wohlfahrtsverbandlichen Handelns und der darin enthaltenen Strategien des Sozialen: "Verteidigen, Kritisieren, Überwinden zugleich" versucht werden.
Hierfür bieten sich drei Themenfelder an:
Erstens das Feld des policy-making, in dem es darum geht, zugedachte bzw. selbstgesetzte Funktion und Aufgabenstellung der Wohlfahrtsverbände und deren traditionelles bzw. aktuelles Selbstverständnis resp. deren Lobbying in Beziehung zu bringen und ihren Stellenwert als sozialpolitische Akteure zu reflektieren.
Zweitens das Feld der Empirie, in dem die realen Reorganisationsprozesse von Trägern Sozialer Arbeit und die Parameter, innerhalb derer diese verlaufen, betrachtet werden, des weiteren die Frage erörtert wird, welche Neuordnungen des Sozialen hierbei entstehen können und welche Verhältnisse dabei für Professionelle und für Adressaten produziert werden.
Drittens das Feld der Theorie. Hier geht es um Denkversuche, die über pragmatische Arrangements und Neu-Justierungen der wohlfahrtsverbandlichen Politiken hinausreichen möchten, ohne jedoch dabei die Renaissance des klassischen Wohlfahrtsverbändemodells der 70er Jahre zu beschwören, sondern Perspektiven für ein ökonomisches und gesellschaftspolitisches Modell der Wohlfahrtsproduktion als "Daseinsvorsorge" resp. "Öffentlichem Gut" resp. als Neu-Zusammenfügung von Sozialwirtschaft und Sorgearbeit zu entwerfen versuchen.
Zu den Beiträgen im Einzelnen
Im ersten Komplex (policy-making) liegt der Schwerpunkt auf der Thematisierung des Kampfes, den die Wohlfahrtsverbände als Akteure unter quasi marktlichen Bedingungen um Statussicherung und Erhalt ihrer gesellschaftlichen Anerkennung führen.
Der Beitrag von Franz Segbers unterzieht die für die traditionelle Prägung der deutschen Wohlfahrtsverbändelandschaft charakteristischen Parameter der Subsidiarität und des Korporatismus einer kritischen Überprüfung hinsichtlich ihrer derzeitigen/künftigen Relevanz im neuen sozialstaatlichen Koordinatensystem. Exemplarisch hierfür werden Diakonie und Caritas betrachtet. Als Gegengift gegen eine "ethische Entkernung" wohlfahrtsverbandlichen Handelns reformuliert der Beitrag einige strategische Optionen zur Neuerfindung der Multifunktionalität der Wohlfahrtsverbände und empfiehlt, vom Schicksal der Gemeinwirtschaf und der Genossenschaftsbewegung zu lernen, die - um den Preis der Selbstauflösung ihrer Identität - dem Druck des Marktes immer mehr nachgegeben haben.
Da Wohlfahrtsregime in besonderer Weise durch ihre nationalstaatlichen Kontexte geprägt sind, ist es lohnend, die Eigentümlichkeiten der deutschen Wohlfahrtsverbändelandschaft mit Blick auf den europäischen Raum wahrzunehmen. Dies leistet der Beitrag von Kay Bourcade und Ernst-Ulrich Huster "Wohlfahrtsproduktion im dynamischen Wirtschaftsraum Europa", in dem der Frage nachgegangen wird, in welcher Weise Konzept und Praxis eines europäischen Wirtschaftsraumes auf Traditionen, Legitimationen und Existenzweisen der jeweiligen nationalen Wohlfahrtsorganisationen zugreifen. Vor allem die (teilweise) neuen Gemengelagen zwischen nach wie vor national gefärbten Wohlfahrtspolitiken und -organisationen einerseits und den Anforderungen an die europäischen Mitgliedstaaaten (z.B. einer Dienstleistungsrichtlinie) andererseits sind Gegenstand der Analyse. Insgesamt, so das Fazit der Autoren, kann die Neujustierung der nationalen Wohlfahrtsregime gelesen werden als eine Etappe im sich zuspitzenden Konflikt zwischen einer angebotsorientierten Stärkung des europäischen Wirtschaftsraumes und der Stabilisierung oder gar Verbesserung des sozialen Zusammenhalts in den Mitgliedsstaaten.
Der zweite Themenkomplex versammelt Beiträge zu unterschiedlichen Facetten der realen Reorganisationsprozesse der Wohfahrtsverbände und gibt exemplarische Einblicke in vorfindbare Praxen.
Zunächst untersucht der Beitrag von Jan Wulf-Schnabel die Schnittstelle zwischen Organisation und Person und fragt nach den Wirkungen zwischen dem strukturellen und organisatorischen Umbau von Verbänden und ihren Trägern und den Arbeitszusammenhängen, Handlungsweisen und -interpretaionen der Beschäftigten. Expliziert wird dies am Beispiel eines Landesverbandes der AWO mit einem spezifischem Blick auf die Auswirkungen auf das Geschlechterverhältnis.
Anschließend gibt der Beitrag von Hartmut Brombach Einblicke in Selbstverständnis und innere Beschaffenheit der in den Wohlfahrtsverbänden organisierten Freien Träger als relevanten Akteuren sozialer Praxis. Er thematisiert die Implementierung einiger der neuen Steuerungstechnologien, gewissermaßen als Reaktionen auf die/ als Resultate der quasi-marktlichen Realität , fragt nach den Konsequenzen für die Beschäftigten und plädiert dem gegenüber für solche Veränderungen in Organisations- und Rechtsformen der Freien Träger, die weitgehende Partizipationsmöglichkeiten der Mitarbeitenden eröffnen können.
Den Abschluss dieses zweiten Themenkomplexes bildet der Beitrag von Karl-Heinz Boeßenecker, der in seinem Beitrag die Aussage trifft, dass eine im Korsett pädagogischer und psychologischer Referenzen verbleibende Sozialarbeitswissenschaft mit der derzeitigen Entwicklung in der Sozialwirtschaft überfordert ist und an ihre Grenzen stößt, wenn sie sich auf eine abseits volkswirtschaftlicher Optionen verengte Betriebswirtschaftslehre versteift und ihre Legitimation ausschließlich an Refinanzierungs- und Profitpotential bindet. Seiner Ansicht nach sind konvergente Handlungs- und Qualifizierungskonzepte gefragt, die die Aufgaben von Leiten, Organisieren, Entwickeln, Gestalten und Beteiligen nicht auf ein sozialtechnokratisches Management verengen. Vielmehr gehe es um die sozialpolitische Weiterentwicklung der Gesellschaft und die Durchsetzung strukturell neuer, den Bedarfslagen von Menschen angemessenen Dienstleistungen und Unterstützungsformen.
Der dritte Komplex beinhaltet Perspektiven für ökonomisch und gesellschaftspolitisch Vergesellschaftungsmodelle organisierter Wohlfahrt. Ingo Bode nimmt die zivilgesellschaftlichen Funktionen der Wohlfahrtspflege in den Blick. Er argumentiert, dass der Wandel vom organisierten zum disorganisierten Wohlfahrtskapitalismus die Wohlfahrtsverbände als "Infrastrukturagenturen" unter Vermarktlichungsdruck setzt, diese sich neue sozialwirtschaftliche Organisationsmodelle schaffen, die dann ihre gesellschaftliche Einbettung verändern. Zwar finden sich bestehende und auch neue Formen zivilgesellschaftlicher Praxis, aber die Substanz der originär-advokatorischen Funktion geht verloren, wenn zugleich marktopportunistisches Verhalten an den Tag gelegt wird.
Ulrike Knoblochs Beitrag baut eine theoretische Brücke von der gewachsenen Bedeutung der Freien Wohlfahrtspflege zum Konzept einer Sorgeökonomie. Mit der begrifflichen Erweiterung von Ökonomie und Arbeit und den Prämissen 'Autonomie und Unabhängigkeit als Spezialfall' sowie 'Abhängigkeit als Normalfall' umreißt sie ein Handlungsmodell für die Sozialwirtschaft, mit dem die Asymmetrien in den Tausch- und Geschlechterverhältnissen und die Vermarktlichungs- und Entmarktlichungsprozesse berücksichtigt werden. Sie plädiert dafür, dass die Sozialwirtschaft ihre Funktion als gesellschaftliches und wirtschaftliches Bindeglied zwischen den Sektoren Markt, Staat und den privaten Haushalten stärkt.
Die Redaktion